Zweitgrößtes Wort nach Pütt ist Bahnhofstraße
‚Gleich einem unentdeckten Sterne, aufgetaucht eines Tages in Herne!‘ Diesen Zweizeiler schrieb vor 90 Jahren ein Tourist in sein Tagebuch, als er zum ersten Mal in Herne Station machte. Der erste Eindruck war ein ungünstiger.
Dazu schrieb der Gast folgendes: ‚Ein schmutziger Bahnhof, der wie ein Jahrmarkt von Menschen wimmelt. Der Vorplatz ist auf der einen Seite vom primitiven Personenbahnhof und auf der anderen Seite von einem Güterschuppen eingeengt. Davor hält Karren neben Karren, und man weiß sich vor Pferdegedränge kaum noch zu retten.‘ Bei Regenwetter müsse man sich, wie es weiter heißt, einer großen Zahl von Tümpeln zuwenden, die den Vorplatz zieren. Zu allem Verdruss sind die Pferdeäpfel total vermatscht und vom Dach des Güterschuppens prasselt das Regenwasser auf die Passanten hernieder.
Der Gast aus Hannover schreibt weiter: ‚Auf der anderen Seite der Bahngleise sehe ich einen ähnlich lebhaften Verkehr von Mann, Ross und Wagen. Automobile sind nur vereinzelt auszumachen. Deshalb müssen die Bürger überwiegend zur Handkarre greifen, wenn Sie etwas zu transportieren haben.
Der eigentliche Eintritt zur Innenstadt wird dann noch einmal erschwert, da die Gleise überschritten werden müssen, die Bahnschranken aber fast durchgehend geschlossen sind. Über eine Fußgängerbrücke erreiche ich schließlich nach Überwindung aller Hindernisse die Hauptstraße der Stadt.
Für die Hemer, so habe ich es mir im Hotel Germania sagen lassen, ist das Wort Bahnhofstraße das zweitgrößte Wort. Es kommt gleich nach dem Wort ‚Pütt‘. Tatsächlich, solch eine lange Geschäftsstraße in schnurgerader Linie war neu für mich. Und als sich dann am breiten Fahrdamm eine kaum unterbrochene Ladenkette aneinanderreihte, geriet das schäbige Bahnhofsviertel in Vergessenheit.‘
Der Text wurde von Gerd Biedermann entdeckt und für das digitale Geschichtsbuch aufbereitet.