Reiterdenkmal Kaiser Wilhelms des Großen (Kaiser-Wilhelm-Denkmal)

Nach dem Tode Kaiser Wilhelms I. am 09. März 1888 setzte sich überall im Deutschen Reich eine Bewegung in Gang, die es zum Ziel hatte, dem Verstorbenen in Form pompöser Denkmale ein ehrendes Andenken zu bewahren. Auch in Herne keimte dieser politische Totenkult auf. Initiatoren waren der Krieger- und Landwehr-Verein Herne und der Krieger- und Landwehr-Verein Herne-Bahnhof. Der Aufruf zur Gründung eines „Comitees“ wurde am 15. November 1888 veröffentlicht. Erst acht Jahre später, am 20. November 1896, entschied man sich nach schier endloser Diskussion für ein Kaiser-Wilhelm-Denkmal statt nur eines Kaiser-Wilhelm-Gartens. Der größere Ausschuss des Kaiser-Wilhelm-Denkmal-Vereins hat dann am 04. August 1899 beschlossen, ein Reiterstandbild für Kaiser Wilhelm I. zu errichten, „weil ein Standbild, den Kaiser zu Fuß darstellend, im Zuge der Oststrasse zu klein würde und weil ein Denkmal auf der Mitte des Neumarktes ohne Hintergrund wäre.“

Das fertiggestellte Kaiser-Wilhelm-Reiterstandbild, das Foto wurde vom Künstler Alois Mayer 1903 gefertigt, Repro Stadtarchiv Herne
Das fertiggestellte Kaiser-Wilhelm-Reiterstandbild, das Foto wurde vom Künstler Alois Mayer 1903 gefertigt, Repro Stadtarchiv Herne

„Seine Majestät der König hat mittels Allerhöchsten Erlasses vom 03. Juni 1901 zu der Denkmalserrichtung die Genehmigung zu erteilen geruht“, berichtete der Dortmunder Generalanzeiger am 26.09.1903.

Weiter heißt es: „Die Stadt Herne ließ sich, weil es sich um ein Originaldenkmal, nicht um die Kopie eines schon bestehenden handelt, das Urheberrecht am Denkmal vertraglich abtreten.“ Man hatte also kein Denkmal nach Katalog bestellt, was damals durchaus üblich war, vor allem, um Kosten zu sparen.

Am 27. September 1903, 16.15 Uhr, war der große Augenblick gekommen: In Gegenwart von Oberpräsident der Provinz Westfalen Freiherr von der Recke, Regierungspräsident Freiherr von Coels, des königlichen Landrats Dr. Gerstein aus Bochum und Hernes Erstem Bürgermeister Hermann Schaefer wurde im Kreuzungsbereich Oststraße (später Schaeferstraße; Anm. d. Verf.)/Schulstraße das Reiterdenkmal feierlich eingeweiht. „Die Oststraße glich einer wahren via triumphalis“ schrieb der Dortmunder General-Anzeiger am 28.09.1903. Leider war der Kaiser nicht nach Herne gekommen. Landrat Dr. Gerstein schrieb am 28.05.1903 vertraulich an den Herrn Ersten Bürgermeister zu Herne, er habe wiederholt die „… Bitte, dass Seine Majestät allergnädigst geruhen möchten, an der Enthüllungsfeier des Kaiser-Denkmals teilzunehmen, …“ Seiner Exzellenz, dem Herrn Oberpräsidenten, vorgetragen. Es sei „… mit Rücksicht auf neuerdings über die Teilnahme Seiner Majestät an derartigen Feiern erlassene Bestimmungen keine Aussicht vorhanden, dass der Bitte entsprochen wird.“

Herne war stolz auf den alten Kaiser hoch zu Ross. Er, aus Bronze gegossen, stand würdevoll auf einem Sockel aus Granit. Das Reiterdenkmal war insgesamt 7,40 m hoch, davon entfielen alleine auf Pferd und Kaiser 4,40 m.

Postkarte Kaiser-Wilhelm-Denkmal, Vorderansicht, Repro Stadtarchiv Herne
Postkarte Kaiser-Wilhelm-Denkmal, Vorderansicht, Repro Stadtarchiv Herne

Die Inschrift auf der Vorderseite lautete: „Kaiser Wilhelm der Große“. Die Rückseite zierte eine Nachbildung des Herner Stadtwappens in Bronze und die Jahreszahl 1903.

Die Einweihungsfeier verlief streng nach Fest-Ordnung. Sie begann mit dem Choral „Lobe den Herrn“ und dem altniederländischen Volkslied „Wir treten zum Beten vor Gott den Gerechten“. In seiner Weiherede führte der Erste Bürgermeisters Schaefer aus: „Als vor 15 Jahren der alte Heldenkaiser die treuen Augen für immer geschlossen hatte, da durchzuckte herber Schmerz jede deutsche Brust. Er war dahingegangen, der uns die deutsche Einheit gebracht … Ein ganzes großes Volk trauerte an seiner Bahre – und die trübe Frage erscholl: Sollen denn wir nie wiedersehen dürfen die ehrfurchtgebietende und uns allen doch so vertraute Erscheinung des entschlafenen Kaisers? Sollen kommende Geschlechter nicht wenigstens die äußere Erscheinung des Kaisers festhalten dürfen? Aus diesen Fragen heraus brach sich in Herne der Wille Bahn, ein Denkmal zu errichten, welches den alten treuen Heldenkaiser in seiner schlichten Einfachheit und Hoheit zur Darstellung bringen soll. … Namentlich auch flossen uns aus Arbeiterkreisen regelmäßige, langandauernde und erhebliche Beiträge zu … daß nie vergessen werden soll der Dank, den wir dem entschlafenen Heldenkaiser schulden und wir hoffen und erwarten, daß die jetzige Generation von Herne und die kommenden Geschlechter stets eingedenk sein mögen. Nur im engen Anschluß an Kaiser und Reich kann das Vaterland gedeihen.“

Postkarte Kaiser-Wilhelm-Denkamal, Hinteransicht, Repro Stadtarchiv Herne
Postkarte Kaiser-Wilhelm-Denkamal, Hinteransicht, Repro Stadtarchiv Herne

Schließlich wurde in der Presseberichterstattung besonders hervorgehoben, dass der Herr Oberpräsident und alle übrigen Ehrengäste ihre helle Freude an den glücklichen Mienen der kleinen Patrioten hatten. Zur Enthüllung des Denkmals und dem Kaiserhoch „Heil Kaiser und Reich“ marschierten die Schulkinder der Oberklassen und die Vereine am Denkmal vorbei.

An den Feierlichkeiten beteiligten sich 41 patriotische Vereine. Fünf Kapellen, davon drei Militärkapellen, lieferten Marschmusik.

Beim anschließenden Festessen im Hotel Schlenkhoff an der Bahnhofstraße brachte Regierungspräsident Freiherr von Coels einen Trinkspruch aus „auf die aufblühende Industriestadt Herne“. „Landrat Gerstein brachte der schönen Stadt Herne und ihren Damen ein Hoch. Der Damenflor (Flor=Blüte; Anm. d. Verf.) sei so zahlreich, daß hier nicht nur ein Husaren-Regiment, sondern eine ganze Kavallerie-Division her müsse.“

Demontage des Kaiser-Wilhelm-Denkmals, Repro Stadtarchiv Herne
Demontage des Kaiser-Wilhelm-Denkmals, Repro Stadtarchiv Herne

Im Zweiten Weltkrieg „spendete“ man das bronzene Reiterstandbild der Rüstungsindustrie, Kaisers waren schon lange nicht mehr angesagt. Der verwaiste Sockel fiel nach 1945 der Spitzhacke zum Opfer.

Manfred Hildebrandt, Jürgen Hagen

Erstveröffentlichung des ursprünglichen Textes:

„…bey den spätesten Nachkommen in beständig gutem Andenken zu erhalten…“-Denkmäler in Herne und Wanne-Eickel, Manfred Hildebrandt, Der Emscherbrücher Band 14 (2008/09), Seiten 57 bis 77, herausgegeben von der Gesellschaft für Heimatkunde Wanne-Eickel e. V., Herne 2008