Bedenkliche Elemente – Zur Geschichte von Hafthaus und Polizeigefängnis in Herne

Ein Wort vorweg …
Wie das in einer Werkstatt so ist, bisweilen benötigt das Zusammenfügen einzelner Werkstücke zu einem Endprodukt seine Zeit. Über die Recherche zum Thema „Hafthaus“ als Straf- und Gerichtsgefängnis der Justiz sind wir auf den Komplex „Polizeihaft“ und die frühere Existenz eines Polizeigefängnisses in Herne gestoßen. Inzwischen liegen zum Letzteren mehr und dichtere Erkenntnisse vor wie zum ursprünglichen Forschungsgegenstand. Gleichwohl werden insbesondere für die Zeit des Nazi-Terrors Überschneidungen bzw. Verknüpfungen zwischen beiden Einrichtungen deutlich. Warum in Herne die Bemühungen zur Etablierung eines Amtsgerichtes mit Gefängnis bereits sehr früh einsetzen, so energisch von der kommunalen Obrigkeit vorangetrieben wurden und warum gerade in Herne die Polizeipräsenz drastisch ausgebaut wurde kann wohl nicht allein mit städtischem Prestigedenken erklärt werden. Vielmehr treten die wesentlichen Beweggründe und Triebkräfte hervor, wenn wie vorliegend der Versuch unternommen wird, dieses Bemühen in seinen gesellschaftlichen und lokalhistorischen Kontext zu stellen. Möglicherweise wird hier der Bogen hinsichtlich der Entwicklung des Justiz- und Polizeiwesens etwas weit gespannt. Dieses Vorgehen kann aber für das Verständnis hilfreich sein, wie Justiz, Polizei und zeitweise auch das Militär vor Ort auf jeweilige gesellschaftliche Konfliktlagen reagiert haben. Hinsichtlich der vor dem Herner Amtsgericht durchgeführten Verfahren, der jeweiligen Funktion des Gefängnisses und mehr noch der hier Inhaftierten liegt noch beinahe alles, soweit überhaupt vorhanden, im Dunkeln verschiedener Archive. Diese Informationen zu heben und die 100jährige Geschichte des Gebäudes damit anzureichern und zu verdichten bleibt Aufgabe und muss weiterbearbeitet werden. Die vorliegende Ausarbeitung ist noch nicht als Endprodukt, sondern als Werkstück und weiterer Versuch einer Annäherung an das Thema zu verstehen. Zum speziellen Thema „Polizeigefängnis“ sei hier die Erkenntnis von Elisabeth Thalhofer angeführt: „Finden in letzter Zeit die Haftbedingungen in Justizgefängnissen während der Zeit des Nationalsozialismus verstärkt Aufmerksamkeit, so bildet das Polizeigefängniswesen des Dritten Reiches noch eine regelrechte terra incognita für die historische Forschung. Die Geschichte der Polizei in der NS-Zeit kann inzwischen zwar sowohl für den Bereich der Ordnungspolizei als auch für den der Sicherheitspolizei als gut erforscht gelten; was jedoch die polizeieigenen Haftstätten angeht, so betritt man auch 65 Jahre nach Kriegsende Neuland. Die Geschichte des Polizeigefängniswesens ist ebenso wenig systematisch aufgearbeitet wie die Inhaftierungspraxis der Sicherheitspolizei in Justizgefängnissen oder die Einrichtung eigener Polizeihaftlager. In keiner der zur Zeit verfügbaren Studien über die Polizei im nationalsozialistischen Herrschaftssystem – seien es Ordnungspolizei, Kriminalpolizei oder Geheime Staatspolizei – wird das polizeieigene Inhaftierungsinstrumentarium dargestellt oder analysiert, obwohl es sich um ein für die Historiographie der nationalsozialistischen Repression und Verfolgung zentrales Thema handelt. Die Orte der nationalsozialistischen Polizeihaftlager waren – wenn auch meist nur für kurze Zeit – Orte extremer Gewaltentfaltung wie auch schwerwiegender Vereinnahmung und Verstrickung der Bevölkerung in nationalsozialistische Verbrechen. Die Erforschung der Geschichte der Polizeihaftlager bleibt ein gravierendes Desiderat der historischen Forschung, der Umgang mit diesen Orten hingegen Aufgabe der historisch-politischen Bildung.“ Ich meine, das sollte auch für die Stadt Herne gelten.

Norbert Arndt, im Juli 2021