Die ersten Passagen nach Art der Wanner Kaiserpassage entstanden bis 1820 in Paris, London und Brüssel; 1842 bis 1845 wurde in Hamburg der Sillem´s Bazar, 1863 in Köln die Königin-Augusta-Halle, 1869 bis 1873 die Kaisergalerie in Berlin und 1887 die Kaiser-Passage in Karlsruhe gebaut.
Die Glaspassage in Wanne entstand kurz nach der Kaiser-Wilhelm-Passage in Frankfurt (1900) und der Georgspassage in Hannover (1901). Sie verband die im Aufbau befindliche Hauptgeschäftsstraße, die heutige Hauptstraße, mit dem nahegelegenen Park, 1900 als Kaisergarten eröffnet, nach 1918 in Stadtgarten umbenannt. Die Glaspassage erhielt im Juni 1905 den Namen Kaiserpassage. Mit der Stadtwerdung Wanne-Eickels am 01. April 1926 wurde die Kaiserpassage in Mozartstraße umbenannt. Die Passage ist in der Form eines gerade durchgehenden Raumes mit einer Laufebene und einem ovalen Zentralraum angelegt worden.
Die zwölf Häuser an der Mozartstraße wurden zwischen 1904 und 1912 errichtet. Die ersten zehn Gebäude fanden 1904 und 1905 mit der Glasüberdachung ihre Fertigstellung. Die letzten beiden Häuser folgten dann 1912 mit einer „Verlängerung“ des Glasdaches. Die späte Errichtung der letzten beiden Gebäude weist darauf hin, dass sich der erhoffte Erfolg, den man in diese Geschäftspassage setzte, nicht einstellte.
Über das Gesamtkonzept für die Passage ist wenig bekannt. Sicher ist, dass die Errichtung von der Witwe Elisabeth Brauckmann (wohnhaft Stöckstraße) initiiert wurde, die das Gelände von finanzkräftigen Geschäftsleuten bebauen ließ. Die zwölf dreieinhalbgeschossigen Wohn- und Geschäftshäuser mit ihren reinen Jugendstilfassaden bilden ein städtebaulich interessantes Ensemble. Im Gegensatz zu anderen Passagen ist die Kaiserpassage nicht als ein Baukörper entstanden. Vielmehr haben mehrere Architekten und Bauherren die Häuser innerhalb eines Rahmenkonzeptes geplant. Jedes Gebäude ist in Fassade und Grundriss von den anderen unterscheidbar.
Der Eingang zur Kaiserpassage wurde durch Kaiserkrone und Hohenzollernadler auf dem Glasdach verziert. Flankiert wurde der Zugang von zwei jüdischen Geschäften, gelegen an der heutigen Hauptstraße 293 und 295. Im Dachgeschoss des Gebäudes auf der Hauptstraße 293, dem Geschäftshaus von Abraham Weinberg, war früher ein Heim des jüdischen Wanderbundes (Jugendbewegung) untergebracht. Aus historischer Sicht ist die jetzige Mozartstraße ein Beleg für die christlich-jüdische Kooperation während der Kaiserzeit und der Weimarer Republik.
Das Glasdach selbst wurde wohl schon in den 1920er Jahren entfernt. Zu große Verschmutzung und mangelnder Lichteinfall waren die Gründe.
Passagen sind Vorgänger von Warenhäusern. Sie bieten Verkehrserleichterungen, Abkürzung, Schutz vor Witterung und nur dem Fußgänger zugängliche Flächen. Der zeitliche Abstand, in dem die zwei letzten Gebäude der Wanner Passage entstanden sind, lässt darauf schließen, dass diese schon in den ersten Jahren ihres Bestehens nicht den gewünschten Geschäftserfolg hatte. Die Ladenräume wurden zum Teil nach einiger Zeit umgenutzt. Am 01. Januar 1914 zog die Volksbücherei Wanne 1 in das Haus Nr. 8 ein, 1919 der Arbeiter- und Soldatenrat in die Ladenräume im Haus Nr. 7.
Jürgen Hagen
Quellen:
- Stadtarchiv Herne, Dokumentationsbibliothek, Bestand Glaspassage- Kaiserpassage-Mozartstraße; Adressbücher 1906 bis 1928
- Herne – von Ackerstraße bis Zur-Nieden-Straße, Stadtgeschichte im Spiegel der Straßennamen, bearbeitet von Manfred Hildebrandt, Ralf Frensel, Jeannette Bodeux, Franz Heiserholt, Veröffentlichungen des Stadtarchivs Herne, Band 1, Herne 1997, Seiten 471 bis 473