Hün un Perdün und Karl Brandt – eine bunte Geschichte über dies und das

Museumsgründer Karl Brandt und ein Heimatverein namens „Hün un Perdün“ – ein Text über eine lokalgeschichtliche Groteske aus Herne

Alternative stadtgeschichtliche Fakten1

Am 01. April 2015 gründete sich der Historische Verein „Hün un Perdün“ Herne. Der Begriff  „Hün un Perdün“ wurde als Namensbestandteil von der damaligen lokalgeschichtlichen Facebookgruppe „Hün un Perdün“, aus der der Verein hervorgegangen ist, übernommen. Dies erschien zu dem damaligen Zeitpunkt  für die Gründungsmitglieder sinnig und logisch, lag doch folgende Information vor:

Für den Namen der zu gründenden Gruppe ließ er (der Gründer der Facebookgruppe, Anmerkung des Chronisten) sich von der Rubrik des Herner Museumsleiters Karl Brandt in der Herner Zeitung aus den 1930-er Jahren inspirieren.  „Hün un Perdün“ hieß die Serie damals, „Dies und Das“ auf westfälisch, in der Brandt Neues und Kurioses über Lokalgeschichte und Archäologie verbreitete.

Der Textauszug stammt aus einem Artikel des Stadtmagazins inherne über besagte Facebookgruppe.2

„Hün un Perdün“-Ehrenpreis für das Stadtarchiv, 2016, Repro Stadtarchiv Herne (Vorlage für diesen Ehrenpreis war die Ehrenbürgerurkunde für Hermann Schaefer, Hernes erstem Bürgermeister und Oberbürgermeister.).

Auf der Homepage des Vereins fand sich folgender Vorstellungstext:

„Hün un perdün“ ist ein plattdeutscher Ausdruck aus Nord/Westdeutschland  und uns einheimischen Poahlbürger nicht unbekannt gewesen. Er bedeutet soviel wie “alles mögliche” oder “dies und das”.

Dieser Text wurde am 21. Dezember 2016 gelöscht, denn zu diesem Zeitpunkt kamen Zweifel auf, ob es tatsächlich eine lokalgeschichtliche Reihe namens „Hün un Perdün“ von Karl Brandt gab. Auch gab es Hinweise, dass „Hün un Perdün“ kein plattdeutscher Ausdruck aus Westfalen ist.

Zur Klärung dieser Zweifel und auf Bitten des Vereins recherchierte das Stadtarchiv Herne intensiv in seinen Herner Zeitungsbeständen aus den 1930er Jahren, um Nachweise zu der im Raum stehenden Reihe von Karl Brandt zu finden. Ohne Erfolg.

Nachweisen ließ sich aber eine stadtgeschichtliche Reihe, herausgegeben vom städtischen Museum für Natur- und Heimatkunde, dessen Leiter Karl Brandt zu diesem Zeitpunkt war. In loser Folge wurde die Serie unter dem Titel „Heimatblätter für Herne und Umgebung“ im Herner Anzeiger veröffentlicht.3

Das Stadtarchiv kontaktierte den Gründer der „Hün un Perdün“-Facebookgruppe und bat um eine genaue Quellenangabe und einen Nachweis über die westfälische Herkunft des Begriffes „Hün un Perdün“. Der Befragte konnte keine schlüssigen Antworten geben. Er empfahl lediglich, sich mit dem Verein in Verbindung zu setzen.

Das Stadtarchiv fragte entsprechend bei dem Vorsitzenden nach. Hilfreiche und weiterführende Informationen konnten von Vereinsseite jedoch nicht gegeben werden.

Als Ergebnis war festzustellen, dass es eine lokalgeschichtliche Reihe namens „Hün un Perdün“ von Karl Brandt nie gegeben hat. Ebenso war der Begriff  für den westfälischen Sprachgebrauch nicht nachzuweisen. Vielmehr ist „Hün un Perdün“ dem norddeutschen Bereich zuzuordnen.4

Hinweis des SchriftFührers des Heimatvereins am 10.01.2018 in der Facebookgruppe „Herne von damals bis heute“ auf einen Artikel im Vereins-Wiki über die Rechercheergebnisse des Stadtarchivs (Stadtarchiv Herne, Vereinsarchiv, Bestand Heimatvereine, Signatur 713/A20, Screenshot eines Facebook-Postings zum Vereinsnamen.).

Dem Verein wurde empfohlen, über eine Namensänderung nachzudenken. Denn gerade ein Heimatverein, der den Begriff „Historisch“ im Namen trägt, sollte auf Seriosität sowie auf Fakten- und Quellensicherheit bedacht sein. Schließlich wurde der Namenszusatz „Hün un Perdün“ seinerzeit nur deshalb gewählt, weil die Vereinsgründer von einem bedeutenden lokalgeschichtlichen Herner Bezug ausgegangen waren. Ein solcher Bezug wurde aber vom Stadtarchiv Herne eindeutig widerlegt.

Der Empfehlung folgend firmiert der Herner Heimatverein mittlerweile unter dem Namen „Historischer Verein Herne/Wanne-Eickel“.

Schuld ist immer ein anderer

Die Facebookgruppe „Hün un Perdün“ wurde am 31. Dezember 2017 geschlossen. Der Gründer der Gruppe zeigte sich dabei wenig souverän und suchte die Schuld für das Ende bei einem anderen. Eine selbstkritische Reflexion war nicht zu erkennen:

Dieser Artikel auf inHerne [sic] im November 2014 zeigte sehr schön die damalige Neugirde [sic] vieler Personen an der Stadtgeschichte. Leider wurde die Zusammenarbeit durch verscheidene [sic] Faktoren und Aktionen gestört und letztendlich „dienstlich“ abgebrochen, so dass die Facebookgruppe „Hün un Perdün“ zum 31. Dezember 2017 geschlossen wurde.

Im Internet abgegebenes Statement des Gründers der Facebookgruppe „Hün un Perdün“ zu deren Schließung.5

Unabhängig von der „Hün un Perdün“-Lüge und weit vor Schließung der Facebookgruppe trat er im Januar 2017 – nach einem kurzen Rücktrittsintermezzo im Juni 2016 – zum zweiten Mal als Vorsitzender des Historischen Vereins „Hün un Perdün“ Herne zurück und dann aus dem Verein aus.6

Krude wirkt in diesem Zusammenhang seine diesbezügliche Einlassung im Ankündigungstext zur Schließung der öffentlichen Facebookgruppe, der am 23. Dezember 2017 gepostet wurde: […] Diese Gruppe ist allerdings seit dem mehr oder weniger freiwilligen und erzwungenen Rückzug des Gründers KEIN Bestandteil des Historischen Vereins „Hün un Perdün“, sondern wieder eine rein private Gruppe![…]7

Ob dieser produzierten Legende sah sich der Heimatverein veranlasst, eine Stellungnahme zu formulieren: […] Hierzu stellt der Historische Verein „Hün un Perdün“ Herne e. V. fest: Niemand hat den Gründer von „Hün un Perdün“ – Stadtgeschichte goes Facebook zum Rückzug aus dem Verein gezwungen. […]

Der Verein bezog auch Stellung zu der vom Gründer der Facebookgruppe „Hün un Perdün“ im Ankündigunstext geposteten Halbwahrheit, dass ihm selber die Mitgliedschaft in der von öffentlicher und Vereinsseite unterstützten Gruppe „Herne – von damals bis heutetrotz mehrfachen Versuches leider verwehrt geblieben ist.

In der Erwiderung heißt es: […]Hierzu stellt der Historische Verein „Hün un Perdün“ Herne e. V. fest: Es ist richtig, dass ihm die Aufnahme in der Gruppe verwehrt wird. Richtig ist aber auch, dass er Mitglied dieser Gruppe war und aus verschiedenen – triftigen – Gründen, auf die der Verein nicht näher eingehen wird, ausgeschlossen wurde.8

Düet un Dat in Hiärner Platt

Doch wie spricht man nun „Dies und Das“ auf Herner Platt aus? Antwort gibt der anerkannte Börniger Heimatforscher Johann Friedrich Aring:

Ruhr-Nachrichten vom 27.08.1970, Repro Stadtarchiv Herne.

Aring war Mitglied im „Plattdeutschen Verein Alt-Herne“. Unter dem Pseudonym „Fritz ut Biörnk“ veröffentlichte er in den Ruhr-Nachrichten die Heimatserie „Düet un Dat in Hiärner Platt“, übersetzt „Dies und Das auf Herner Platt“.9

Der Bergmann Johann Friedrich Aring wurde am 24. April 1899 in Herne geboren, er starb am 18. Mai 1973, ebenfalls in Herne.10

Ende der bunten Geschichte über dies und das.

Jürgen Hagen

Anmerkungen
  1. Zu dem Begriff Alternative Fakten und dem verwandten Ausdruck Fake News bietet das Wissensportal Wikipedia eine gute Beschreibung: https://de.wikipedia.org/wiki/Alternative_Fakten. Letzter Zugriff: 08.03.2020.[]
  2. Herner Geschichte goes Facebook, In: inherne – das Stadtmagazin, Ausgabe 04/2014, Seite 15, herausgegeben von der Stadt Herne in Kooperation mit dem Wochenblatt Herne, November 2014.[]
  3. Stadtarchiv Herne, Zeitungsarchiv, Bestand Herner Anzeiger.[]
  4. Siehe: Kulturkreis Finkenwerder e. V., Hamburg. Letzter Zugriff: 08.03.2020[]
  5. Stadtarchiv Herne, Vereinsarchiv, Bestand Heimatvereine, Signatur 713/A20, Screenshot von einer Internet-Mitteilung über die Schließung der Facebookgruppe „Hün un Perdün“.[]
  6. Stadtarchiv Herne, Vereinsarchiv, Bestand Heimatvereine, Signatur 713/A20, Rekonstruktion und chronologische Einordnung der Rücktritte des Gründungsvorsitzenden.[]
  7. Stadtarchiv Herne, Vereinsarchiv, Bestand Heimatvereine, Signatur 713/A20, Screenshot des Ankündigungstextes vom 23. Dezember 2017 in der öffentlichen Facebookgruppe Herner Geschichte und Geschichtchen – ehm. „Hün un Perdün“ zu deren Schließung.[]
  8. In: Der Bote, Info-Brief des Historischen Vereins „Hün un Perdün“ Herne e. V., Numer 1, Januar 2018, Seite 8; Stadtarchiv Herne, Vereinsarchiv, Bestand Heimatvereine, Signatur 713/A20, Stellungnahme des Historischen Vereins „Hün un Perdün“ Herne e. V.[]
  9. Stadtarchiv Herne, Dokumentationsbibliothek, Sammlung Persönlichkeiten, Friedrich Aring.[]
  10. Stadtarchiv Herne, Bestand Personenstandsbücher, Geburtenbuch Nr. 359/1899, Sterbebuch Nr. 614/1973.[]