Der 100.000ste Bürger!

Rüdiger Klaus machte Wanne-Eickel ganz groß

Leider kam ich 15 Monate zu früh auf die Welt. Hätten sich meine Eltern bis zum 21. April 1955 Zeit gelassen, so wäre ich vielleicht der 100.000ste Bürger gewesen. So aber fiel Rüdiger Klaus die Ehre zu, Wanne-Eickel in den Rang einer Großstadt zu erheben. Natürlich gratulierte der Oberbürgermeister den stolzen Eltern und überreichte ein Sparbuch als kleines Präsent der Stadt.

Jetzt, im Konzert der 50 Großstädte in der Bundesrepublik, stieg Wanne-Eickels Selbstbewusstsein noch einmal spürbar. Hatte man vorher schon wegen des Solebades mit dem inoffiziellen Titel „Bad Wanne-Eickel“ kokettiert, gab es nun ein Prädikat ganz offiziell: Großstadt Wanne-Eickel. Natürlich brachten die Einwohnerzuwächse auch handfeste Probleme mit sich. 5.663 fehlende Wohnungen errechnete die Stadtverwaltung im Jahr 1965. Und dabei war es in Wanne-Eickel auch ohne diese Wohnungen schon proppenvoll – aber das ist ein anderes Kapitel.

Die große Ernüchterung folgte dann im Mai 1970. Studenten, Schüler, Hausfrauen und Rentner schwärmten aus, um im Auftrag der Bundesregierung das Volk zu zählen. Sie zogen durch alle Straßen, durchkämmten die Wohnviertel und spähten auch noch in Hinterhöfe, um alle Wanne-Eickeler zu erfassen. So sehr sie sich aber auch mühten, am Ende fehlten ihnen 844 Einwohner, um Wanne-Eickel weiter als Großstadt glänzen zu lassen. Mit nur noch 99.156 Bewohnern verabschiedete sich Wanne-Eickel von seinem heiß geliebten Status, den es auch danach als selbstständige Stadt nie wieder erreichte.

Wolfgang Berke

Aus: Berke, Wolfgang,  Das Buch zur Stadt Wanne-Eickel, Mythen, Kult, Rekorde: Eine Zeitreise durchs Herz des Ruhrgebiets, Das Buch mit der Website: www.wanne-eickel.info, 136 Seiten, Klartext Verlag, Essen 2002, Seite 16, Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Wolfgang Berke