Auf dem Beisendreisch in Baukau weichen morsche Häuser einer modernen Straße. Wer am Anfang der Kaiserstraße in Baukau nach links in den Beisendreisch einbiegen will, den warnt ein Schild. ‚Sackgasse‘ heißt es da, und wer sich nicht belehren lassen will, muss nach einigen hundert Metern seinen Wagen wenden, denn die anfangs so verlockende Straße hört tatsächlich auf.
Als Fußgänger konnte man früher auf den zwei Pfaden zwischen den besonders im Frühjahr wunderbar blühenden Schrebergärten der Eisenbahner weitergehen. Rechts und links säumten die Wege sauber geschnittene Ligusterhecken und die schmucken Lauben dahinter waren eine rechte Freude der Kleingärtner. Von dem praktischen Wert, dem selbstgezogenen Gemüse, den vielen Blumen und den mit eigener Hand gepflanzten und auf edle Sorten aufgepfropften Obstbäume ganz zu schweigen.
Aber seit einigen Wochen zählt diese Gartenanlage zur Vergangenheit. Dort wütet der Drang der neuen Zeit. Bagger haben die schmucken Häuschen abgetragen und die Gärten eingeebnet. Man baut dort schon fleißig an der neuen Zufahrtsstraße zur B 51.
Auf dem Beisendreisch warten die Bewohner der letzten Häuser auf ihre Räumung. Gegen vierzig Familien sind von dieser Maßnahme betroffen. Die Hausnummern der Gebäude 4 und 6 sind bereits verschwunden
Sie wurden um das Jahr 1897 erbaut. Die anderen Häuser entstanden später auf dem ehemaligen Land des Bauern Lochthofe. Es sind insgesamt acht Häuser auf der rechten Seite. Ein Teil davon ist privater Besitz und ein anderer Teil, es sind die Hausnummern 8, 16 und 18, gehören der Märkische Steinkohlengewerkschaft, Heessen (Hamm-Heessen). Einige der gekündigten Hauseigentümer bauen sich in anderen Teilen der Stadt neue Häuser.
Die Gegend um den Beisendreisch war früher ein durchweichtes Sumpfgelände. Die Wiesen gehörten zu den Höfen Arndt, Lackmann und Lochthofe. ‚Beisen‘ waren die Binsen, die dort in dem ‚Dreisch‘, das heißt im Sumpfe, wuchsen.
Auf Vorschlag des Fahrsteigers Ruppert wurde die Straße dann ‚Auf dem Beisendreisch‘ benannt. Aber das war nicht ihr Anfangsname. Zuerst hieß sie ‚In den Höfen‘, dann ‚Baukauer Straße‘, später ‚Kaiserstraße‘ und zuletzt wurde sie erst nach der Gewannbezeichnung ‚Auf dem Bei-sendreisch‘ benannt.
In früheren Zeiten gab es noch keine durchgehende Kaiserstraße, und der erste Eingang zum Nordfriedhof, der von 1899 bis 1900 gebaut worden war, lag an der Straße ‚In den Höfen‘, Auch war der Straßengrund nicht fest genug, und mitunter mussten die Trauergäste bei Tau- und Regenwetter bis an die Knöchel im Sumpf hinter dem Sarg, der früher auf den Schultern getragen wurde, waten. Das ist inzwischen anders geworden. Heute führt der Haupteingang zum Nordfriedhof von der neuen Kaiserstraße, und die Trauergäste begleiten ihre Verstorbenen auf gepflegten Kieswegen nur von der Kapelle bis zum Grabe.
Früher befand sich hinter den jetzigen Häusern Auf dem Beisendreisch die Strecke der alten Westfälischen Eisenbahn. Der Volksmund nennt das Gelände heute noch ‚Die Alte Bahne‘. Eine zweite Strecke führte links am Beisendreisch vorbei. Beide Schienenstränge vereinigten sich in der Höhe der jetzigen Gärtnerei Wolf.
Nach einigen Monaten werden selbst die alten Baukauer die Gegend um den Beisendreisch nicht mehr erkennen. Auf der rechten Seite werden die letzten Häuser verschwinden, und eine neue Straße wird anstelle der ‚Alten Bahne‘ blitzenden Autos freie Fahrt geben.
Der Text wurde von Gerd Biedermann entdeckt und für das digitale Geschichtsbuch aufbereitet.
Quelle:
- Herner Zeitung vom April 1966