Die Zwillinge Lackmann werden 80 Jahre alt: Träume von der guten alten Zeit in Baukau – als noch kein Fernsehen den Feierabend bestimmte.
Nein, das ist nichts für die Zeitung. Die Leute lachen doch über uns. „Voller Mißtrauen begutachtet Ida Lackmann den WAZ-Mann, der ihr nicht ganz geheuer zu sein scheint. 82 Jahre ist sie alt geworden, und Lebenserfahrung, so sagt sie, habe sie genug gesammelt. Soviel jedenfalls, dass sie meint, ihre jüngeren Schwestern Emma und Emilie vor den neugierigen Fragen der Presse schützen zu müssen. Die Zwillige Emma und Emilie Lackmann werden am heutigen Montag 80 Jahre alt. „Ein Familienfest“, betont sie, nichts Besonderes. „Doch die drei Schwestern, das ist das Besondere, vereinen ein Stück Herner Geschichte.
1486 erwähnt die „Boikauwer“ Geschichtsschreibung einen Bauern Lackmann, der sowohl zur Landessteuer herangezogen wird als auch „Meßkorn“ an den Pfarrer zu Herne liefern muss. Ida, Emma und Emilie sind Nachfahren dieses geschichtsträchtigen Landmanns. 1894 geboren, mussten sie im Alter von 8 Jahren erleben, wie ein Großfeuer den väterlichen Hof völlig vernichtete.
Doch Bauer Lackmann nutzte diese „Gelegenheit“, um einen für die damalige Zeit hochmodernen Klinker-Bau zu errichten, der den Schwestern bis zum Jahre 1964 Heimat bedeutete.
Emma und Emilie wuchsen heran, halfen auf den Feldern des 100 Morgen großen Grundstücks, melkten Kühe und versorgten die Ackergäule. Noch heute träumen sie ein wenig von der guten alten Zeit.
Von der Zeit als noch kein Fernseher den häuslichen Feierabend bestimmte. Von Gesprächen mit den Eltern, den Mägden und Knechten. „Sechs große Bauern gab es damals in Baukau“, erinnert sich Emma Lackmann. Und sie gibt zu verstehen, dass der Name Lackmann einiges Gewicht hatte. Der Vater konnte es sich leisten, der gerade entstehenden Stadt Herne, das Gebiet der heutigen Kaiserstraße zu schenken. Landverkäufe an die Bergbauunternehmen verringerten allmählich den stolzen Besitz.
Doch immer noch regierten Pflug und Dreschflegel, bevor die Schwestern 1964 alles Eigentum an die Landesentwicklungsgesellschaft verkauften. Die alte Klinker-Villa, beschädigt im zweiten Weltkrieg, wurde abgerissen. Heute braust der Verkehr über die Autobahn am Herner Kreuz, ehemals Lackmannscher Besitz. Ein Straßenname „Lackmanns Hof“ weckt Erinnerungen.
Doch Emma und Emilie wussten sich zu trösten. Sie bezogen zwei schmucke Häuser, „Auf dem Hünert“ und genießen heute die „Segnungen“ des modernen Lebens. „Genug“, sagt Ida Lackmann. Die Geburtstagskinder beugen sich dem Diktat ihrer älteren Schwester und beenden das Interview. Lediglich ein Foto wird noch gestattet.
Der Text wurde von Gerd Biedermann entdeckt und für das digitale Geschichtsbuch aufbereitet.
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Quelle:
WAZ vom 05.08.1974