Als die Zeche Unser-Fritz deutschlandweit Schlagzeilen machte

Jugendliche Bergleute mussten bis zu 18 Stunden arbeiten 14 Angeklagte vor dem Essener Landgericht

Im Dezember 1899 war die Wanner Zeche „Unser-Fritz“ deutschlandweit in den Schlagzeilen. Der sozialdemokratische „Vorwärts“ titelte: „Eine Zechenverwaltung auf der Anklagebank“.1 Zwei Tage später: „Der Prozeß gegen die Betriebsbeamten der Zeche Unser-Fritz“. Am 30. Dezember 1899 formulierte die in Bochum erscheinende „Bergarbeiterzeitung“ des sozialdemokratischen Bergarbeiterverbandes die Schlagzeile: „Systematische Kinderausbeutung“.2

Die Wellen aus dem Wanner Norden schlugen so hoch, dass der Vorgang am 10. Januar 1900 im Deutschen Reichstag Gegenstand einer Debatte war. In der hundertvierundzwanzigsten Sitzung vermerkte die Tagesordnung unter dem Punkt “Zweite Berathung des Reichshaushalts-Etats für das Jahr 1900“ den Unterpunkt „Gewerbliche Kinderarbeit, Kommission für Arbeiterstatistik, Museum für soziale Praxis etc.“ Einer der Debattenredner, der den skandalösen Vorgang auf der Wanner Zeche Unser-Fritz thematisierte, war der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Wurm aus Breslau. Er berichtete über das Urteil des Essener Landgerichts gegen die Zechenbeamten der Zeche Unser-Fritz vom 22. Dezember 1899, als er leidenschaftlich die milden Urteile von deutschen Gerichten bei Verstößen gegen die Arbeitsschutzgesetze kritisierte.

Der Abgeordnete Wurm führte aus: „In Breslau wurden der Direktor und der Siedemeister einer Zuckerfabrik wegen Beschäftigung von 10 jugendlichen Arbeitern während der Nacht mit 10 bzw. 20 Mark bestraft, im nächsten Jahre dieselben Personen wegen Übertretung der Gewerbeordnung durch Beschäftigung jugendlicher Arbeiter am Sonntage mit 10 bzw. 25 Mark Geldstrafe belegt. 1897 kamen wieder viele Klagen über die Milde des Gerichts. Ein preußischer Beamter sagte ausdrücklich: Überhaupt tritt in der Beurteilung von Übertretungen der Arbeiterschutzgesetze bei den Polizeibehörden wie bei den Gerichten meist eine den Industriellen günstige Auffassung zu Tage, welche geneigt scheint, der sozialen Gesetzgebung keine besondere Wichtigkeit für das Wohl der arbeitenden Klassen beizulegen und Zuwiderhandlungen als mehr oder weniger belanglos anzusehen. In Düsseldorf wurde die von Aufsichtsbeamten direkt als unmenschlich bezeichnete Ausnutzung jugendlicher Arbeiter mit 50 Mark Geldstrafe gesühnt für Direktor und Ingenieur. Dort hat der Gewerbeaufsichtsbeamte dem Regierungspräsidenten davon Mittheilung gemacht, und der Regierungspräsident hat den Ersten Staatsanwalt angewiesen, die Amtsanwälte anzuweisen, dass sie bei allzu geringen Bestrafungen in jedem Falle Berufung einlegen.“

Und dann kam der Reichstagsabgeordnete Wurm auf den „Fall Zeche Unser-Fritz“ zu sprechen: „Ich will nur noch auf das Urtheil in Essen aus dem letzten Jahre hinweisen, wo 33 jugendliche Arbeiter 687 Stunden Überschicht auf der Zeche Unser-Fritz machen mussten, und wo, um das zu vertuschen, die Bücher radiert und Fälschungen vorgenommen wurden und doch nur auf eine Geldstrafe  von 100, 200 und 300 Mark erkannt wurde! Was soll man dazu sagen, welche solche Urtheile gang und gäbe werden? Wie können sie verlangen, dass der Arbeiter Vertrauen zur ganzen sozialen Arbeiterschutzgebung hat? Sie steht auf dem Papier.“

Nach diesen Ausführungen ging der amtierende Staatsminister als Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Innern, Dr. Graf von Posadowsky-Wehner ans Rednerpult: „Meine Herren, ich bin nicht in der Lage, wenn in der That in solchen Fällen so niedrige Strafen erkannt sind, das hier zu vertheidigen. Es würde vielleicht besser sein, wenn die Entscheidung dieser Fragen nicht bei den Schöffengerichten, sondern den Strafkammern mit Revision an das Reichsgericht läge.“3

Am nächsten Tag wurde die Debatte im deutschen Reichstag zu dem oben erwähnten Tagesordnungspunkt fortgesetzt. An diesem Tag ergriff der Funktionär des sozialdemokratischen Bergarbeiterverbandes Hermann Sachse, seit 1898 Abgeordneter des Reichstags, das Wort und verdeutlichte die skandalösen Vorgänge auf der Zeche Unser-Fritz. Hermann Sachse führte aus: „Ferner noch einige Worte in Bezug auf die Betrügereien! Mein Freund Wurm hat gestern schon Gelegenheit genommen, auf die Betrügereien einzugehen, die neulich auf der Zeche Unser Fritz vorgekommen sind. Dies zur Anzeige gekommen, aber erst dann, als die Verwarnungen der Grubenbeamten (Kontrolleure) nichts genutzt hatten; d.h. die Inspektionsbeamten hatten wohl bemerkt, dass auf der Zeche verbotswidrig junge Leute beschäftigt wurden und zwar nicht bloß beschäftigt, sondern in geradezu krasser Weise zu den Überschichten herangezogen wurden. Erst nachdem die Verwarnung nichts genutzt hat, ist die Bergbehörde dahinter gekommen und einmal die Kontrollbücher, die ‚Schichtenzettel eingesehen. Sie hat dann allerdings bemerkt, dass sogar diese Lohnbücher, Schichtenzettel usw. gefälscht und darinnen Radirungen ausgeführt worden waren. Es wurde also eine Revidirung dieser Bücher vorgenommen, und erst darauf hin kam die Angelegenheit zur Anzeige und vor das Landgericht Essen. Dort ist festgestellt worden, dass einem Jahre 33 jugendliche Arbeiter 687 Überschichten machen mussten. Nun, meine Herren, wenn das bei den jugendlichen Arbeitern öffentlich durch Gerichtsverhandlung an das Tageslicht gebracht worden ist, wie mag es dann erst bei den erwachsenen Arbeitern aussehen, die man ohne ein Gesetz zu verletzen, noch so lange beschäftigten kann, ohne dass jemand danach fragt, ohne dass jemand die Zechenverwaltungen daran hindert!

Historische Presse der deutschen Sozialdemokratie – Repro Norbert Kozicki

Gestern ist auch das Urtheil erwähnt worden, und mein Freund Wurm bemerkte, dass der betreffende Betriebsleiter mit 300 Mark bestraft worden ist. Ich muß dem ergänzend hinzufügen: das war der Betriebsdirektor, während der Betriebsleiter und der Bergverwalter nur mit 50 respektive 30 Mark bestraft worden sind. So sehen die gerichtsseitig ausgesprochenen Strafen aus, wenn ein Betriebsleiter in Frage kommt, wenn eine gesetzeskundige Betriebsverwaltung im Spiele steht. Wegen der Urkundenfälschungen – das war gestern nicht ergänzt worden – sind die Herren zu 2 Wochen resp. einer Woche verurteilt worden. Wegen Urkundenfälschung! Ganz anders aber sieht es aus, wenn man einen Arbeiter einmal bei Schlafittchen nehmen kann. Ich kann aus neuester Zeit einen Fall dafür vorbringen, der vor dem Landgericht Zwickau gespielt hat. Ein auf einer Zwickauer Grube, der Bürgergewerkschaft, beschäftigter Arbeiter – dort sind die Sicherheitslampen nicht allgemein eingeführt, sondern nur für einige Brandwärterorte – hat die Vorschriften insofern nicht berücksichtigt, dass er, als ihm beim Anfahren die ‚Sicherheitslampe zerbrach, zu seiner gewöhnlichen Grubenblende griff, mit der Blende vor den Arbeitsort fuhr und eine kleine Explosion verursachte. Diesen Arbeiter hat man mit 3 Monaten bestraft, während hier die gesetzeskundigen Betriebsleiter mit 50 oder 30 Mark oder wegen Urkundenfälschung mit 2 oder einer Woche Gefängnis davonlaufen. Meine Herren, das sind Zustände, denen nach meiner Meinung auch die Reichsregierung mehr Aufmerksamkeit schenken muß.“4

Zum weiteren Sachverhalt: In den Jahren 1897 und 1898 verfuhren jugendliche Arbeiter viele Überschichten, auf direkte Anweisung der verantwortlichen Zechenbeamten. Der Hauptbeschuldigte war der Betriebsführer Hohendahl, dem am 18.Januar 1899 die Beamtenqualifikation aberkannt wurde. Der „Vorwärts“ kommentierte in diesem Zusammenhang: „Unglaublich ist die Gewissenlosigkeit, mit der die angedeuteten Übertretungen systematisch begangen wurden.“5

Es wurde bisher nicht berichtet, dass die jugendlichen Arbeiter im Alter von 14 bis 16 Jahren teilweise bis zu 18 Stunden hintereinander zur Arbeit gezwungen wurden, obwohl die Gewerbeordnung nur eine Beschäftigungsdauer von 8 Stunden vorsah. Auch wurden die vorgeschriebenen Ruhepausen nicht eingehalten. Die meisten verfahrenen Überschichten entfielen auf wenige Monate, sodass in einem Monat von 5 jugendlichen Arbeitern 25 Überschichten gemacht wurden. Auch die Bestimmungen über das Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen wurde von der Betriebsleitung nicht beachtet. Sonntags mussten 16jährige Jungen in zahlreichen Fällen sonntags eine „Viertelschicht“ arbeiten.

Die Rücksichtslosigkeit und die Verachtung der gesetzlichen Bestimmungen dokumentiert folgende Tatsache: Am 17. August 1898 wurde der Grubenvorstand der Zeche Unser-Fritz durch eine schriftliche Verfügung des Revierbeamten auf die gesetzeswidrigen Verstöße aufmerksam gemacht, mit dem gleichzeitigen Hinweis auf die Haftbarkeit der Bergwerksbesitzer. Trotz dieser Eingabe wurden in den folgenden Monaten weitere Überschichten von Seiten der jugendlichen Arbeiter verfahren.

Im Januar 1899, nachdem sich die Verwarnung des Revierbeamten als erfolglos erwiesen hatte, ordnete die Bergbehörde eine genaue Überprüfung der betreffenden schriftlichen Dokumentationsunterlagen wie Markenbücher und Schichtzettel an. Diese Revision bewies die Fälschungen der schriftlichen betrieblichen Unterlagen, was eindeutig bewies, dass man in vollem Bewusstsein gegen die Arbeitsschutzbestimmungen verstieß.

Zum Prozessbeginn vor dem Landgericht in Essen konstatierte der Redakteur des „Vorwärts“: „Von außerordentlicher Bedeutung ist aber der Prozeß in socialpolitischer Beziehung. Fest steht, dass die Verwaltung nach Bekanntwerden der Übertretungen durch die Revierbeamten erst noch verwarnt wurde. Weiter ist durch feststehende Thatsachen erwiesen, wie schutzlos die Arbeiter trotz gesetzlicher Bestimmungen und trotz der heutigen Aufsicht dem Unternehmer gegenüberstehen. Ferner beweisen die Thatsachen, wie hochnotwendig die von den Arbeitern geforderte Verbesserung der Gewerbe-Aufsicht und die Kontrolle durch die Arbeiterorganisationen ist.“6

Vorwärts, 20.12.1899, Repro Norbert Kozicki

Insgesamt waren im Prozess 14 Personen angeklagt, darunter der Grubenvorstand, also die Grubenbesitzer, die Betriebsleitung und weiteres technisches Personal. Auf der Anklagebank saßen: vom Grubenvorstand Hermann Waldthausen aus Essen, August Waldthausen aus Düsseldorf, Adalbert Colsmann aus Langenberg, Karl Rudolf Poensgen aus Düsseldorf, der als Vorsitzender des Grubenvorstandes der Zeche fungierte (siehe Informationen zu seiner Vita im Anhang). Von der Betriebsleitung: der Bergwerksdirektor Fritz Hohendahl aus Wanne, der frühere Betriebsführer Valentin Wagener aus Wanne, der Betriebsführer Karl Schmidt aus Wanne.  Vom technischen Personal:  der Schichtmeister Ludger Funder aus Wanne, der Hilfskontrolleur August Schäfer aus Wanne, der Verladungskontrolleur Friedrich Glitt aus Wanne, der Verladungskontrolleur Heinrich Kampe aus Wanne, der Hilfskontrolleur Wilhelm Peper aus Wanne, der Markenkontrolleur Heinrich Wenzel aus Wanne und der Materialienverwalter Ferdinand Stoewe aus Wanne. Die Bergarbeiterzeitung kommentierte diese Personenaufzählung mit den Worten: „Wie man sieht, Vertreter des feinsten Grubenadels.“7

Die Angeklagten gaben alles zu. Sie versuchten sich mit „politischen Rücksichten“ zu entschuldigen. Der Kohlenmangel im Deutschen Reich sei groß gewesen und der Grubenvorstand habe die Einlegung von Überschichten angeordnet. Es herrsche zur damaligen Zeit akuter Kohlenmangel im kaiserlichen Deutschland. Das Jahr 1900 ging in die Geschichte des deutschen Steinkohlenbergbaus als „Jahr der Kohlennot“ in die Geschichtsbücher ein. Diese „Not“ betraf aber nicht die Gewinne der Bergwerksgesellschaften. Die Investitionen in das schwarze Kohle brachten den Geldgebern enorme Gewinne.  In den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts lagen die Profitraten zwischen 10 und 20 Prozent, während eine tarifliche Forderung der Bergarbeiter im Ruhrgebiet für die Tarifverhandlung zu Beginn des Jahres 1900 lautete: „Freiwilligkeit der Überschichten und anständige Behandlung der Arbeiter“.8

Mit dieser Anordnung zum Verfahren von Überschichten verstieß der Grubenvorstand um die Herren Waldthausen, Colsmann und Poensgen gegen die Bestimmungen der Arbeitsschutzverordnungen, denn kein Bergarbeiter durfte zu Überschichten gezwungen werden. Und wenn, dann hätte er die Möglichkeit gehabt, das Berggewerbegericht anzurufen. Die Vertreter des Grubenvorstandes vertraten die Auffassung, dass sie für die Verletzungen der Arbeitsschutzbestimmungen nicht strafbar seien. Der Kommentar in der Bergarbeiterzeitung zu dieser Rechtsauffassung: „Augenscheinlich ist es nur Aufgabe der eigentlich zu Überschichten drängenden Aktionärsvertreter, die Gewinne einzustreichen.“

Die Richter des Landgerichtes Essen bestätigten diese Rechtsauffassung der Vorstandsleute der Zeche Unser-Fritz und sprachen die Vertreter des Grubenvorstandes frei, sie seien nicht strafbar. In einem anderen ähnlich gelagerten Prozess gegen einen Betriebsführer einer Zeche wurde dieser mit der Begründung freigesprochen, der Grubenvorstand sei verantwortlich für die Gesetzesverstöße. Dieses Urteil entsprach der herrschenden juristischen Meinung, von der Funktion und Rolle eines Mitglieds des Grubenvorstandes, das die Zeche in sämtlichen gerichtlichen und außergerichtlichen Angelegenheiten vertreten musste.

 „Die übrigen Angeklagten schnitten wie folgt ab: Hohendahl, Wagener, Schmidt und Funder sind der Verstöße gegen § 151 der Gewerbeordnung für überführt zu erachten und lautet das Urtheil gegen Hohendahl auf 300 Mark, gegen Wagener auf 50 Mark, sowie gegen Schmidt und Funder auf 30 Mark Geldstrafe. – Das Gericht hält auch eine Urkundenfälschung für vorliegend und erkannte gegen Wagener auf 2 Wochen, gegen Schäfer, Funder, Stoewe und Kampe auf je 1 Woche Gefängniß. – Die Angeklagten Schäfer, Glitt, Wenzel, Kampe und Peper sind des Vergehens gegen die reichsgesetzlichen Bestimmungen nicht schuldig und mußten dieserhalb freigesprochen werden.“9

Interessant ist noch, dass der Staatsanwalt gegen Hohendahl 2.000 Mark Geldstrafe beantragt hatte, und gegen Wagener zwei Monate Gefängnis. Für die Herren vom Grubenvorstand plädierte er auf jeweils 500 Mark Geldstrafe.

Historische Presse der deutschen Sozialdemokratie, Repro Norbert Kozicki

Diese milden Urteile blieben nicht unwidersprochen. In der schon angesprochenen Sitzung des Deutschen Reichstages vom 11. Januar 1900 informierte der Funktionäre des Bergarbeiterverbandes Hermann Sachse das Parlament über eine neue Entwicklung: „ Was nun das Urtheil von Unser Fritz betrifft, auf das Herr Ober-Bergrath Fürst auch einging, so freut mich seine Mittheilung, daß die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt habe. Es ist doch geradezu auffallend, daß vor einigen Monaten vom Essener Gericht unser Redakteur Hue verurteilt ist; er hat über die Zeche Gustav Mittheilungen gemacht, die fast alle zeugeneidlich völlig nachgewiesen sind; aber der Betriebsleiter wurde freigesprochen, weil die Grubenvorstände die eigentlichen Verantwortlichen seien – und in dem Urtheil über Unser Fritz sind die Grubenvorstände ausdrücklich freigesprochen, weil der Betriebsleiter der Verantwortliche sei. Wer soll da an die Rechtsprechung glauben, wenn einmal so, das andere mal so geurteilt wird! Es freut mich, wenn die Sache untersucht wird; dann wird man ja Näheres erfahren.“10

Diese mehr als milden Urteile in diesem Prozess sorgten für eine große Empörung im Deutschen Reich. Die Debatte im Deutschen Reichstag steht stellvertretend dafür. Der Redakteur der Bochumer Bergarbeiterzeitung kommentierte auch diese Urteile wie folgt: „Wir werden zu 500 Mark Geldstrafe verurtheilt, wenn wir Grubenskandale aufdecken und dabei nach Meinung des Gerichts nicht bis auf das Tüpfelchen auf dem i alles beweisen. Jene Herren erhalten für skandalöse systematische Kinderausbeutung, für eine erschreckende Übertretung der Reichsgesetze 300, resp. 50 Mark Strafe; die weitgehende Urkundenfälschung wird mit wenig Tagen Gefängniß geahndet. Die niedrigen Strafen sind geeignet, Gesetzesübertretungen zu veranlassen, wie die Aufsichtsbeamten seit Jahren klagen. Und wie war es möglich bei unserer unübertrefflichen, schneidigen, über alles Lob erhabenen Werksinspektion, daß solche flagranten, groben Übertretungen jahrelang geübt werden konnten? Meint man, der Fall Unser Fritz stehe allein da? O Ihr Kleingläubigen!“

Norbert Kozicki

Biographien

Carl Rudolf Poensgen

Vita vom Vorsitzenden des Grubenvorstandes der Zeche Unser-Fritz

Carl Rudolf Poensgen war der Sohn von Rudolf Poensgen und Friederike Poensgen (1834–1909) aus einem anderen Zweig der Familie sowie Onkel von Harald Arthur Poensgen. Er studierte von 1880 bis 1882 an der RWTH Aachen Hüttenkunde. Dort schloss er sich dem Akademischen Verein der Chemiker und Hüttenleute, dem späteren Corps Montania Aachen an. Später studierte er an der Technischen Hochschule Karlsruhe und wurde 1885 Mitglied des Corps Franconia Karlsruhe. Seine militärische Laufbahn schloss er als Rittmeister ab. Sein Vater Rudolf Poensgen und dessen Bruder Gustav Poensgen besaßen ein von ihrem Vater Reinhard Poensgen ererbtes Hütten- und Walzwerk, das sie 1860 von Gemünd nach Düsseldorf verlegten. Das Unternehmen wurde 1872 mit einem ebenfalls 1860 in Düsseldorf angesiedelten Röhren-Walzwerk ihres entfernten Vetters Albert Poensgen zur „Düsseldorfer Röhren- und Eisenwalzwerke AG, vorm. Poensgen“, zusammengeschlossen. Mit dem Tode seines Vaters wurde Carl Rudolf Poensgen als Mitinhaber in den Vorstand dieses Großunternehmens berufen. Er war außerdem Vorsitzender des Grubenvorstandes der „Zeche Unser Fritz“. 1910 wurde er Mitglied des Aufsichtsrates der „Phoenix AG für Bergbau und Hüttenbetrieb“. Die „Phönix AG“ wiederum ging 1926 durch einen weiteren Zusammenschluss mit der Thyssen-Gruppe, den Rheinischen Stahlwerken und einer Reihe von großen Bergwerksunternehmen in den Montankonzern „Vereinigte Stahlwerke AG“ auf. Carl Rudolf Poensgen war darüber hinaus u. a. Aufsichtsratsmitglied der Mannesmannröhren-Werke AG, der Papierfabrik Reisholz AG und des „Industrieterrains Düsseldorf-Reisholz AG zu Düsseldorf-Benrath“.

1901 erhielt Carl Rudolf Poensgen den Ehrentitel Königlicher Preußischer Kommerzienrat; es folgte 1911 der Titel Königlicher Preußischer Geheimer Kommerzienrat. 1903 gründete er gemeinsam mit anderen Unternehmern die „Arbeitgebervereinigung für Düsseldorf-Oberbilk und Umgebung“, die sich zum Ziel setzte, die „hiesigen Arbeitsverhältnisse“ (dort lagen die „Düsseldorfer Röhren- und Eisenwalzwerke AG, vorm. Poensgen“) zu verbessern. Seit 1898 war Carl Rudolf Poensgen Mitglied, seit 1905 Stellvertretender Präsident und von 1908 bis 1933 Präsident der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf. In dieser Zeit machte er sich besonders verdient um die im Jahre 1926 durchgeführte und mit über 7.5 Millionen Besuchern überaus erfolgreiche „GeSoLei“- Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen. Er war zudem Mitglied des Schiedsgerichtshofes der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris und des Ehrengerichts der Düsseldorfer Börse. Von 1904 bis 1910 war er für die Liberale Partei Düsseldorfer Stadtverordneter.11

Adalbert Colsman

Vita vom Mitglied des Grubenvorstands der Zeche Unser-Fritz

Adalbert Colsman (* 17. November 1839; † 13. September 1917) war ein deutscher Unternehmer und Philanthrop.

Adalbert Colsman war der vierte von sieben Söhnen des Seidenfabrikanten Johann Wilhelm Colsman d. J. (1800–1856) und seiner Frau Emilie geb. Bleckmann (1808–1885). 1870 wurde er als einer der vier geschäftsführenden Teilhaber der Seidenweberei Gebr. Colsman in Langenberg im Rheinland aufgenommen, der heute noch bestehenden Weberei Gebrüder Colsman (Essen-Kupferdreh). Mit seinem ältesten Bruder Wilhelm und seinen Vettern Eduard und Andreas gehörte er zur vierten Generation des Familienunternehmens, welche 1886 mit dem Bau der mechanischen Weberei in Kupferdreh die Abkehr von der in Heimarbeit betriebenen Handweberei vollzog. Der Industriebetrieb mit angestellten Arbeitern ersetzte das bisherige Verlagssystem.

Daneben war Adalbert Colsman Mitglied des Grubenvorstandes der Gewerkschaft Gebra, Aufsichtsratsvorsitzender der Königsborn AG und Mitglied im Ausschuss für die rheinisch-westfälischen Filialen der Deutschen Bank. Er war 1887 Mitbegründer der Aktiengesellschaft Wasserwerk für das nördliche westfälische Kohlenrevier, heute Gelsenwasser AG. Er war Mitglied der Generalsynode der preußischen Landeskirche (vom König berufen) und Schatzmeister des Rheinischen Provinzialausschusses der Inneren Mission.

Mit seiner Frau Sophie Colsman geb. Feldhoff (1847–1927) machte er zahlreiche philanthropische Stiftungen, unter anderem das Bürgerhaus in Langenberg und die Friedhofskapelle auf dem neuen evangelischen Friedhof in Langenberg. Das Ehepaar hatte keine eigenen Kinder. Die Tochter des finnischen Afrikamissionars Botolf Bernhard Björklund wurde im Hause aufgenommen und aufgezogen. Nach dem Tod seiner Mutter hatte Adalbert Colsman das elterliche Haus „Die Au“ übernommen und umgebaut. Sein Grab befindet sich auf dem evangelischen Friedhof in Langenberg.12

August Waldthausen

Vita vom Mitglied des Grubenvorstands der Zeche Unser-Fritz

Der Essener Bankier von Waldthausen ist eine der bedeutendsten Perönlichkeiten des Ruhrbergbaus gewesen, der im Verein mit Männern wie Grillo, Haniel, Poensgen, von Born und Hagedorn agierte. Er gehörte auch zu den Gründern der Gewerkschaft Graf Bismarck (später Deutsche Erdöl-AG, zwischendurch Deutsche Texaco, heute RWE-DEA), des Steinkohlenbergwerks Friedrich der Große und der Magdeburger Bergwerks-AG (Zeche Königsgrube, später Hannover-Hannibal).13

Anmerkungen

  1. Vorwärts, 20.12.1899 ↩︎
  2. Bergarbeiterzeitung, Nr. 51 ↩︎
  3. Stenographisches Protokoll des Reichstags, 124. Sitzung, 10. Januar 1900, S. 3452 ↩︎
  4. Stenographisches Protokoll des Reichstags, 125. Sitzung, 11. Januar 1900, S. 3459 ↩︎
  5. Vorwärts vom 20.12.1899 ↩︎
  6. Vorwärts, 20.12.1899 ↩︎
  7. Bergarbeiterzeitung, Nr. 51, 30.12.1899 ↩︎
  8. Bergarbeiterzeitung, Nr. 7, 17. Februar 1900 ↩︎
  9. Bergarbeiterzeitung, Nr. 51 ↩︎
  10. Stenographisches Protokoll des Reichstags, 125.Sitzung, 11. Januar 1900, S. 3481 ↩︎
  11. Aus Wikipdia: Carl Rudolf Poensgen, letzter Zugriff: 16.09.2019 ↩︎
  12. Aus Wikipedia: Adalbert Colsman, letzter Zugriff: 16.09.2019 ↩︎
  13. Aus Hanseatisches Sammlerkontor für historische Wertpapiere: August Waldthausen, letzter Zugriff: 16.09.2019 ↩︎