Drei Männer und das Eck

Es waren einmal ein Bergmann, ein Eisenbahner und ein Binnenschiffer. Nicht leibhaftig, sondern aus Muschelkalk, von einem Berufsschullehrer namens Wilhelm Braun gehauen. Im August 1927 waren sie plötzlich da. Über Nacht wurden sie auf winzige Sockel gehievt, die an eine bogenförmige Mauer gepappt waren. Diese Mauer an der heutigen Ecke Hauptstraße und Berliner Straße wurde nötig, um den höher gelegten Bahndamm abzustützen. Die Figuren selbst hatten keine tragende Funktion. Sie sollten, so erklärte man dem staunenden Volk, nur die hässliche Mauer verschönern.

Dreimännereck, um 1930, Foto Stadtarchiv Herne
Dreimännereck, um 1930, Foto Stadtarchiv Herne

Etwas klein geraten waren die drei, nur 170 cm groß, weshalb viele Bürger sie anfangs nicht für voll nahmen. Aber sie symbolisierten die drei Säulen der Wanne-Eickeler Wirtschaft, und mit der Zeit gewöhnten sich die Leute an die Kollegen aus Muschelkalk. 43 Jahre lang verharrten Bergmann, Eisenbahner und Binnenschiffer auf ihren winzigen Sockeln. Sprachlos mussten sie mit ansehen, wie der Glückaufplatz ständig sein Gesicht veränderte. Regungslos verharrten sie im Bombenhagel, während alles um sie herum in Schutt und Asche versank.

Die drei Männer: Bergmann, Eisenbahner, Schiffer, Repro Stadtarchiv Herne
Die drei Männer: Bergmann, Eisenbahner, Schiffer, Repro Stadtarchiv Herne

Ganz ohne Blessuren hatten sie den Zweiten Weltkrieg aber auch nicht überstanden. Abgase und Industrieemissionen gaben ihnen den Rest, und bevor sie zerbröseln oder von ihren Sockeln stürzen konnten, beauftragte das Ordnungsamt im Juni 1970 eine Abbruchfirma mit der Entfernung der Figuren. Die hässliche Mauer war plötzlich noch hässlicher und die Wanne-Eickeler rangen nach Worten, um die kahle Kurve zu benennen, die im Volksmund immerhin 43 Jahre lang „Dreimännereck“ hieß.

Ein paar Jahre lagen die Demontierten auf dem Hof des Bauunternehmens und wären längst zerfallen und vergessen, wenn nicht der damalige Stadtarchivar
Rudolf Zienius
sie retten und vors Heimatmuseum stellen ließ. Seit fast 30 Jahren stehen sie nun dort und sehen nicht mehr viel von der Welt.

Die drei Männer vom Heimatmuseum, 2014, Foto Gesa Hagen
Die drei Männer vom Heimatmuseum, 2014, Foto Gesa Hagen

An ihren alten Platz wurde eine Seilscheibe der Zeche Consolidation gepflanzt. Seilscheiben werden immer dann aufgestellt, wenn den Verantwortlichen nichts mehr einfällt. Das ganze Ruhrgebiet ist voll von aufgestellten Seilscheiben.
Drei Muschelkalk-Männer aber gibt es nur an der Unser-Fritz-Straße.

Die Drei-Männer-Repliken vor dem Hauptbahnhof, Foto Stadtarchiv Herne

Nachtrag im März 2005: Inzwischen stehen die drei Männer wieder mitten im Geschehen. Zwar nicht die Originale, aber immerhin 1:1-Replicas. Und auch nicht an ihrem alten Stammplatz, sondern direkt vor dem Bahnhof. Auf einem kleinen
gemeinsamen Sockel – aber immerhin …

Wolfgang Berke

Aus: Berke, Wolfgang,  Das Buch zur Stadt Wanne-Eickel, Mythen, Kult, Rekorde: Eine Zeitreise durchs Herz des Ruhrgebiets, Das Buch mit der Website: www.wanne-eickel.info, 136 Seiten, Klartext Verlag, Essen 2002, Seiten 54 und 55, Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Wolfgang Berke.

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