Lebensmittelgeschäft Kaufmann

Im Haus Edmund-Weber-Straße 173 (früher: Bochumer Straße) lebte die jüdische Familie Kaufmann. Das Haus war von den Großeltern Elise und Wolf Weinberg erbaut worden, die darin ein Lebensmittelgeschäft gegründet hatten. Das Röhlinghausener Familiengeschäft wurde dann von Julie (geb. Weinberg) und Arthur Kaufmann in der zweiten Generation weitergeführt. Nach 1933 nahmen die Repressalien auch vor Ort Immer mehr zu. So musste die Tochter Liesel Kaufmann das Wanner Oberlyzeum (heute: Gymnasium Wanne) in der 9. Klasse verlassen, weil die Nationalsozialisten jüdischen Kindern den Besuch weiterführender Schulen verboten hatten.

Das Geschäft Weinberg im Haus Nummer 173 mit dem Besitzer Wolf Weinberg (oben rechts im Fenster), um 1910, Repro Stadtarchiv Herne

Nach der Reichspogromnacht vom 09. November 1938 auf den 10. November 1938 wurde Arthur Kaufmann wie viele andere jüdische Männer aus Wanne-Eickel festgenommen und in das KZ Sachsenhausen verschleppt. Um wenigstens die Kinder Liesel und Werner vor dem Zugriff der Nationalsozialisten zu schützen, meldete Julie Kaufmann sie für einen Kindertransport nach England an. Im Mai 1939 gelang die Ausreise. „Wir dachten, der Abschied sei nur für ein paar Monate“, erzählte Liesel Kaufmann später, aber sie sollte ihre Eltern nie wieder sehen.

Verzweifelt versuchten sie in England, für ihre Eltern eine Ausreise aus Deutschland zu ermöglichen. Vergebens, im Januar 1942 wurden Julie und Arthur Kaufmann in das Ghetto Riga deportiert, von wo aus sie in das KZ Stutthof kamen. Dort wurden beide im Oktober 1944 ermordet.

Liesel und Werner Kaufmann überlebten die Shoah in England. Die Kindertransporte bedeuteten für viele Kinder aus Herne und Wanne-Eickel Rettung vor der nationalsozialistischen Verfolgung. Aus dem gesamten „Deutschen Reich“ konnten so vom 01. Dezember 1938 bis zum Kriegsausbruch nahezu 10.000 Jungen und Mädchen ins Ausland entkommen. Werner Kaufmann blieb bis zu seinem Tod im Jahr 2003 in England. Liesel Kaufmann heiratete Eric Spencer (Erich Schulz), der ebenfalls geflohen war. 1952 siedelte die Familie mit ihren Kindern in die USA über. Ein Zurück nach Deutschland kam für sie nicht in Frage.1|2

Jürgen Hagen

Anmerkungen

  1. Erinnerungsorte – Shoah-Denkmal. Zum Gedenken an die Opfer der Shoah aus Herne und Wanne-Eickel. Eine Dokumentation von Ralf Piorr. Herausgeber: Stadt Herne. Januar 2010. Seiten 38 und 39. ↩︎
  2. Stadtarchiv Herne. Bestand Jüdisches Leben in Herne und Wanne-Eickel. Jüdische Geschäfte: Lebensmittelgeschäft Kaufmann. ↩︎