Am 01. April 1897 erhielt die aufstrebenden Landgemeinde Herne das Stadtrecht. Im gleichen Jahr taten sich einflussreiche Herner Bürger wie der Kommunalpolitiker Jean Vogel, der Bergrat Otto Hoenig, der Unternehmer Eduard Gessmann und der Kaufmann Julius Meimberg zusammen, um ein Unternehmen zu gründen, das noch heute vielen Hernerinnen und Hernern ein Begriff ist: die Herner Herdfabrik und Eisengießerei AG.
Bereits am 15. Februar 1897 wurde die „Herner Herdfabrik Schaefer & Co.“ in das Handelsregister eingetragen. Der aus Hamm stammende Julius Schaefer war erster Geschäftsführer der Gesellschaft, als Stellvertreter stand ihm Julius Meimberg zur Seite. Im April 1897 erwarb die Gesellschaft den größten Teil des Firmengeländes am Grenzweg, u. a. von dem Herner Drahtseilfabrikanten Eduard Gessmann. Nach Aufbereitung des Grundstückes wurde unverzüglich mit der Errichtung der Fabrik begonnen, sodass bereits im Gründungsjahr zunächst Kohleherde für den Haushalt produziert werden konnten.
Der Beginn einer Erfolgsgeschichte. Schon ein Jahr nach Gründung wurde das Unternehmen in eine GmbH umgewandelt. 1900 musste das Fabrikgebäude erweitert werden. 1909 wurde ein neues Lagerhaus, 1911 ein neues Bürogebäude errichtet. 1913 schließlich gliederte die Firma eine Eisengießerei an, um den eigenen Gussbedarf selbst decken zu können. Die Fabrikationspalette wurde Anfang der 1920er Jahre auf Gasherde, Gaskocher, kombinierte Herde für Kohlen und Gas, Zentralheizungs- sowie Hotel- und Anstaltsherde erweitert. Das hatte wieder eine Änderung der Rechtsform zur Folge: Aus der GmbH wurde die „Herdfabrik und Eisengießerei A. G.“ Die Familien Meimberg, Gessmann und Hoenig sowie Jean Vogel hielten die Mehrheit an den Aktien.
Seit den 1950er Jahren schließlich gehörten Elektroherde und Ölöfen zum Portfolio. Innovativ ging es dann Anfang 1970 mit dem Allgas-Heizofen „Algamat“ und einem Einbau-Nachtstromspeicherofen weiter. Diese Innovationen waren aber schon die ersten Anzeichen für den Niedergang. Die letzte Stunde der Kohlenofenproduktion hatte Ende 1970 geschlagen, der Absatz sank um 70 Prozent. Öl- und Zentralheizungen liefen den klassischen Öfen mehr und mehr den Rang ab. Anfang 1971 wurde die Eisengießerei geschlossen. Doch auch die Produktion der in der Presse als Pionierarbeit gelobten Nachtstromspeicheröfen konnte die Traditionsfirma nicht retten. „Ofen ist aus – ‚Kohlen‘ alle“ titelte die WAZ am 02. Dezember 1971 und berichtete, dass am 22. November ein gerichtlicher Vergleich angemeldet wurde. Ausgerechnet an ihrem 75. Geburtstag war das Ende der Traditionsfirma gekommen. Am 30. März 1972 lief ein mit Blumen geschmückter Nachtspeicherofen als letztes Produkt der Herner Herdfabrik vom Band.
Für 35 Mitarbeiter ging es zunächst weiter, die Gesellschaft für Maschinen- und Elektrobau „Momac“ übernahm eine Produktionshalle, um dort weiterhin Nachtspeicheröfen zu produzieren. Das Gastspiel dauerte nicht lange, im Juli 1974 wurde die Fertigung eingestellt.
Danach fanden verschiedene Firmen in den Hallen eine Bleibe, u. a. eine Türen- und Fensterfabrik.
Im Januar 2021 erfolgte der Abriss der Industrieruine, um Platz für Wohnbebauung zu machen.1
Jürgen Hagen
Quellen:
- Stadtarchiv Herne, Abteilung Wirtschaft, Herner Herdfabrik
Anmerkung
- WAZ vom 09. Januar 2021. ↩︎