Als die Kaufhäuser noch florierten

Früher strömten die Massen noch in Einkaufstempel wie Althoff, Karstadt, Hertie oder anfangs Kaufmann.
Die „Neuen Höfe Herne“ auf der Bahnhofsstraße jedoch stehen für einen neuen Zeitgeist.

Mit der Eröffnung der „Neuen Höfe Herne“ ist die Geschichte der großen Warenhäuser auf der Bahnhofstraße in Herne endgültig vorbei. Karstadt und Hertie, das waren einst stolze Kaufhäuser, Konsumtempel, die über Jahrzehnte die Menschen anzogen. Den Anfang aber machten die Gebrüder Kaufmann. Und dann kam Althoff.

Aber der Reihe nach. Es waren die Gebrüder Kaufmann, die in den ersten Jahren nach 1900 auf der Bahnhofstraße, am Standort der heutigen Neuen Höfe Herne, ein großes Warenhaus eröffneten, sagt Gerd Körner, Mitglied der Herner Geschichtsgruppe „Die Vier!“. Er hat die Geschichte der Kaufhäuser am heutigen Robert-Brauner-Platz recherchiert. Die Nazis, erzählt er, enteigneten die Besitzer- Familie, die ihr Warenhaus bis 1926 mehrfach umgebaut hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe die Erben-Familie ihren Besitz aber zurückbekommen und das Warenhaus dann an den Karstadt-Konzern vermietet, zu dem auch Althoff gehörte. Bis 1951 sei das Kaufhaus dann unter den Namen Lewecke, Mode Spezialhaus Leitner und schließlich Christensen geführt worden.

Noch größer und moderner: Althoff-Kaufhaus wird neugebaut

Und dann kam Althoff. Bei der Eröffnung des Althoff-Kaufhauses im August 1951 seien sage und schreibe 60.000 Menschen gekommen: „Die ersten Besucher hatten sich schon um Mitternacht mit Klappstühlen einen Platz in der Schlange gesichert“, berichtet Körner. Und: „Die Polizei konnte nur mit Mühe die Fahrbahn auf der Bahnhofstraße freihalten.“ In der Herner Zeitung war tags darauf zu lesen: „Im Nu waren die drei Stockwerke überflutet. Nach drei Minuten musste das Eingangsgitter schon wieder geschlossen werden. Das Haus war überfüllt. Und so ging es den ganzen Tag hindurch.“

60.000 Menschen wollten das neue Althoff-Kaufhaus auf der Bahnhofstraße in Herne sehen und kamen am 24. August 1951 zur Eröffnung. Repro Stadtarchiv Herne

Für die Eröffnung von Althoff, sagt das Mitglied der Geschichtsgruppe „Die Vier!“, sei das alte Kaufhaus umfassend renoviert worden. Auf drei Etagen seien 1.800 Quadratmeter Verkaufsfläche entstanden, im vierten Stock Lager und Büros. „Besondere Aufmerksamkeit löste der Lichthof innerhalb des Gebäudes aus“, sagt Körner. Die Presse habe „von geradezu phantastischer Lichtfülle“ in den einzelnen Stockwerken und einer entsprechend guten Durchlüftung gesprochen. Auch in Herne gab es das Wirtschaftswunder. Herne war eine aufstrebende Zechen- und Industriestadt, in der Aufbruch- und Aufbaustimmung geherrscht habe, und sie hatte nun endlich ein großes Warenhaus: „Vom Fotoapparat bis zum Herrenanzug, vom Kinderspielzeug bis zum feinsten Parfüm wurde alles angeboten.“ Im ersten Obergeschoss habe es, ein Novum, sogar eine eigene Schuhabteilung gegeben – „und ein spezieller Hutsalon war ebenfalls vorhanden“. Lebensmittel und „einen Erfrischungsraum“ habe es dagegen nicht gegeben – noch nicht.

Abriss des alten Althoff-Gebäudes, 1960, Repro Stadtarchiv Herne

Nach neun Jahren aber war schon Schluss. Alles sollte noch größer, noch moderner werden: Bald nach der Althoff-Eröffnung 1951 sei der Ruf laut geworden, das alte, mehrfach renovierte Kaufhaus von der Jahrhundertwende abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen. Und so sei es gekommen: Im April 1960 sei das Kaufhaus geschlossen und dann schnell abgerissen worden. „Für die Zeit der Abbrucharbeiten und des Neubaus musste der Verkauf bei Althoff nicht eingeschränkt werden“, berichtet Körner. So sei die Abteilung Möbel, Teppiche, Gardinen und Einrichtungsgegenstände ins benachbarte ehemalige Köller-Haus verlegt worden – just in jenes Gebäude, in dem vor 1900 das Stammgeschäft der Gebrüder Kaufmann gelegen habe. Alle anderen Abteilungen seien auf die andere Seite der Bahnhofstraße ins ehemalige Warenhaus Fischer verlagert worden; dort sei heute unter anderem die Blaue Apotheke zu Hause.

Nach nur einem Jahr sei der Neubau fertig gewesen. Die Eröffnung fand auf den Tag genau zehn Jahre nach der Eröffnung des renovierten Vorgängerbaus statt, am 24. August 1961. „Ein Edelstein im Herner Mosaik“ – so ist der Dreiecksbau, wie er noch heute existiert, mit seiner Lamellen-Fassade beschrieben worden. Entworfen vom Architekten Emil Fahrenkamp, wurde das Fassadenmaterial so gewählt, dass es leicht zu reinigen sei – „zum Schutz gegen den unvermeidlichen Industriestaub und -ruß“, hieß es 1960 in der Karstadt-Hauszeitung.

Angebot und der Service waren für die Zeit eine Sensation

14.000 Quadratmeter Nutzfläche, knapp 8.000 Quadratmeter Verkaufsfläche – es war ein Kaufhaus der Superlative, das für 11,5 Millionen DM auf den heutigen Robert-Brauner Platz gesetzt wurde. „Für die Herner Bürger entstand,16 Jahre nach Kriegsende, eine ganz neue Einkaufsatmosphäre und ein bis dahin nicht gekanntes Waren- und Serviceangebot“, sagt Körner. Und: „Das Angebot und der Service waren für die Zeit sensationell, in vielen Teilen neu und einzigartig – und das alles unter einem Dach.“ Zum Waren- und Serviceangebot gehörten unter anderem Abteilungen für Möbel, Nähmaschinen, Foto, Herrenartikel, Parfümerie und Schreibwaren, außerdem eine Lebensmittel-Selbstbedienungsabteilung, ein Erfrischungsraum mit Konditorei, eine Fernseh- und Rundfunkwerkstatt mit motorisiertem Kundendienst, eine „Kinderstube“ mit staatlich geprüfter Kinderschwester sowie Sportartikel mit Fahrrädern, Angelgeräten, Hundebedarfsartikel und Autozubehör, listet Körner auf. Und berichtet: „Meine Eltern kauften ihre erste elektrische Waschmaschine im Kaufhaus Althoff.“ Wie sie pilgerten die Herner zu Althoff. Die Herner hatten Geld in der Tasche, das sie gerne in „ihrem“ Großstadt-Kaufhaus ausgaben. 1963 wurde der Herner Konsumtempel in Karstadt umbenannt,1990 wurde noch einmal renoviert.

Spätestens da aber waren die goldenen Kaufhaus-Jahre vorbei. Der Niedergang begann schleppend, war aber schließlich nicht mehr aufzuhalten. Spätestens 2004 stand das Haus auf der Kippe, Mitarbeiter bangten um ihre Jobs. 2007 kam noch einmal Hoffnung auf, als aus Karstadt Hertie wurde, zwei Jahre später aber war von einem auf den anderen Tag Schluss: Die 50 Mitarbeiter, die zuletzt noch an Bord waren, räumten auf und schlossen ab. „Ab 18 Uhr geht jeder seinen Weg“, sagte der damalige Hertie-Chef zum Abschied. Herne hatte kein Kaufhaus mehr.

Vor der Fertigstellung: die „Neuen Höfe Herne“. November 2020. Repro Stadtarchiv Herne

„Neue Höfe“ nun mehr als Einkaufen
Aus ehemaligem Kaufhaus wurde ein modernes Geschäftshaus

Das Althoff-Kaufhaus von 1961 hat dennoch eine Zukunft – nun als modernes Geschäftshaus für Büros und Einzelhandel unter dem Namen „Neue Höfe Herne“. Weil es unter Denkmalschutz steht, konnte das alte Kaufhaus nicht abgerissen werden. Der neue Besitzer Landmarken baut das Gebäude um, der Großteil der Arbeiten ist bereits beendet. Ironie der Geschichte: Nun wurden, wie im Vorgängerbau, wieder Lichthöfe eingebaut, sagt Gerd Körner von der Geschichtsgruppe „Die Vier!“. Außerdem seien in die Fassade „geschickt Fensteröffnungen gebrochen“ worden. Nicht zuletzt: Die charakteristischen Lamellen und Kacheln wurden erneuert. Bei den Arbeiten, so Körner, „wurde der denkmalgeschützte Gesamteindruck des Gebäudes erhalten“.

Nun ziehen die ersten Mieter in das Gebäude ein. Komplett vermietet ist es aber lange nicht, vor allem deshalb nicht, weil Regus, ein Anbieter für flexible Bürolösungen, zuletzt einen Rückzieher machte und doch nicht einzieht. Als Mieter stehen bislang fest: Der Klimaanlagenhersteller Fläkt-Group von der Südstraße in Herne will Büroräume beziehen, die Fitness-Kette McFit will ins Untergeschoss, und im Erdgeschoss soll unter anderem ein Wirtshaus öffnen.1

Michael Muscheid in Zusammenarbeit mit Gerd Körner2

Anmerkungen

  1. Der Artikel basiert auf den Aufsatz Althoff Herne – vorgestern und gestern von Gerd Körner. ↩︎
  2. Der Text wurde am 10.11.2020 in der Herner Lokalausgabe der WAZ erstveröffentlicht. ↩︎