Ein Gebäude mit vielen Gesichtern – das Haus an der Richard-Wagner-Straße 10 in Eickel

Das Haus an der Richard-Wagner-Straße 10 (früher Bismarckstraße 10) in Eickel weist eine spannende Geschichte auf.

Eingeweiht wurde das Gebäude wahrscheinlich am 20. März 1876 als evangelische Lutherschule in Eickel. Eine Karte aus dem Jahr 1877 weist hierauf hin; der Grundriss der dort eingezeichneten Schule entspricht dem des heutigen Gebäudes. Im Adressbuch der Gemeinde Eickel aus dem Jahre 1911 finden sich auf der Bismarckstraße 10 noch die Damen Luise Mumberg und Hedwig van Koll, Lehrerinnen sowie die Herren Gustav Schwarze und Heinrich Müller, beide Rektoren.

Im Jahre 1912 hielt dann die Eickeler Gemeindevertretung Einzug, die im großen Saal des Gebäudes tagte. Die Wanner Zeitung vom 27. Juni 1912 merkte zur Einweihung an: ‚Der Saal ist seiner Bestimmung würdig‘. Die benachbarte Hülsmann-Brauerei stiftete zum festlichen Anlass das Bier.

Mit der Politik zog auch die Verwaltung in das Gebäude ein. Und mit der Stadtwerdung von Wanne-Eickel wurde das Haus zu einem wichtigen Verwaltungsgebäude.

Der repräsentativ wirkende Bau wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt. 1950 wurde das Haus wiederaufgebaut. Es bekam ein schlichteres Aussehen.

Als letzte städtische Dienststelle hatte bis zum 13. Oktober 2017 der Fachbereich Vermessung und Kataster sein Domizil in dem Gebäude.

Eine kurze Karriere als ‚Rathaus 2‘

Nachdem sich am 01. April 1926 die Ämter Eickel und Wanne zur Stadt Wanne-Eickel zusammenschlossen, wurde das bisherige Amtshaus Wanne zum Rathaus Wanne-Eickel umgewidmet. Die erste Sitzung der Stadtverordnetenversammlung fand am 01. Juni 1926 im Sitzungssaal des Wanne-Eickeler Rathauses statt. Es stellte sich heraus, dass der Sitzungssaal viel zu klein war.

Schon im Vorfeld fragte am 22. Mai 1926 die Gelsenkirchener Zeitung: ‚Wo soll die Stadtverordnetenversammlung tagen‘. Das Urteil nach der ersten Versammlung war vernichtend. So stellte die Gelsenkirchener Zeitung am 02. Juni 1926 fest: ‚Heute trat das Wanner Stadtverordnetenkollegium zu einer ersten Sitzung zusammen. Das Ergebnis ist…Null. Wie konnte auch in einem solchen Saale Arbeitsfreudigkeit herrschen? 48 Stadtverordnete, die ihren Notizblock auf das Knie legen mußten, eine große Zahl Pressevertreter, denen es zum Teil nicht besser ging, und ein Kopf an Kopf gedrängtes Publikum, vor dem Saale mehr als drinnen.‘

Die zweite Sitzung am 11. Juni 1926 wurde dann im größeren Tagungsraum des Verwaltungsgebäudes an der Richard-Wagner-Straße 10 abgehalten. In der öffentlichen Einladung wurde im ‚Sitzungssaal des Rathauses 2‘ eingeladen. Diese ‚Beförderung‘ zum Rathaus hatte aber keinen langen Bestand. Während im Einwohnerbuch von Wanne, Eickel und Röhlinghausen 1925-1926 das Gebäude immerhin noch Amtshaus 2 genannt wurde, erfolgte bereits im Einwohnerbuch der Stadt Wanne-Eickel 1928 die ‚Degradierung‘ zur Verwaltungsnebenstelle.

Nichtsdestotrotz fanden aber ununterbrochen bis zum Zusammenschluss der Städte Wanne-Eickel und Herne die Ratssitzungen der Wanne-Eickeler Stadtverordneten in diesem Gebäude statt.

Zum Schluss diente der Sitzungssaal dem Fachbereich Vermessung und Kataster als Archiv.

Im Januar 2021 schließlich wurde das geschichtsträchtige Gebäude abgerissen, um Platz für Wohnbebauung zu machen.1

Jürgen Hagen

Quellen:

  • Stadtarchiv Herne, Dokumentationsbibliothek, Sammlungen Städtische Dienststellen und Zeitungsausschnittsammlung Stadtverordnentenversammlungen Wanne-Eickel Mai bis Dezember 1926
  • „Das Rätsel von Eickel“, Christoph Hüsken, Mitarbeiterzeitschrift Durchblick, Herausgeber: Der Oberbürgermeister der Stadt Herne, Juni 2012

Anmerkung

  1. WAZ vom 09. Januar 2021. ↩︎