Möllertunnel

Ab Donnerstag wird der Möllertunnel für jeglichen Verkehr gesperrt. So war es am Vortag in den Ruhr-Nachrichten vom 04. Oktober 1967 zu lesen. Im Zuge der Stadtkernerneuerung war geplant, die Bahnhofstraße zwischen Kreuzkirche und Bahnhof als Fußgängerzone auszuweisen. Die Stadt begann mit den Arbeiten zum Bau der Bahnunterführung, die die beiden bereits fertiggestellten Teilstücke der Innenstadt-Umgehung, dem späteren Westring, verbinden sollte.

Möllertunnel, Foto Stadtarchiv Herne
Möllertunnel, Foto Stadtarchiv Herne

Mit der Sperrung endete ein Stück identifikationsstiftende Lokalgeschichte. Viele Herner verbinden noch heute mit dem Möllertunnel, der die Von-der-Heydt-Straße mit der ehemaligen Moltkestraße (jetzt Westring) zusammenführte, eine ambivalente Erinnerung, man könnte fast sagen, eine besondere Form von Hassliebe.

Der Name geht auf Christian Möller zurück. Möller war Stadtverordneter und hatte auf der Von-der Heydt-Straße eine Gaststätte. Mit dem Umbau des Bahnhofs und Höherlegung der Bahngleise, setzte er sich noch vor dem Ersten Weltkrieg für diesen Fußgängerdurchgang ein. So hatten die Baukauer einen kürzeren Weg zum Stadtzentrum und zurück. Die Bewohner der anderen Seite verfügten ihrerseits über eine Direktverbindung zum Herner Bahnhof. Zeitweise wies sogar ganz offiziell ein an einem Haus auf der Von-der-Heydt-Straße angebrachtes Schild auf den Möllertunnel hin.

Ganz uneigennützig war der Einsatz von Christian Möller aber nicht, denn viele im Bahnhofsbereich wohnende Menschen und Bahngäste, nutzten diese Abkürzung, um sich bei Möller oder in einer der anderen Gaststätten auf der Von-der Heydt-Straße zu erfrischen bzw. die Wartezeit auf ankommende Züge zu verkürzen.

Doch im Laufe der Jahre war der Gastwirt mit der Bezeichnung Möllertunnel nicht mehr glücklich, wie sich seine Tochter später erinnerte. Der Tunnel entwickelte sich nämlich zu einem sozialen Brennpunkt, die Polizei war häufig vor Ort, um ‚Halbstarke‘ oder Betrunkene zur Ordnung zu rufen. Und wenn wieder mal etwas Negatives berichtet wurde, seufzte Christian Möller, besorgt um den eigenen Ruf: ‚Hätten Sie ihn nur nie nach mir benannt‘.

Auch wurde der Fußgängerdurchgang im Laufe der Jahre mehr und mehr ’schmuddelig‘. Immer wieder fiel teilweise die Beleuchtung aus, es war dreckig und es roch mitunter nicht so gut. Der Baukauer Schriftsteller und Verleger Robert Grabski erklärte hierzu in seinem Buch ‚Herne in alten Ansichten‘, dass der Möllertunnel von der Bevölkerung lästerlich auch ‚Tuberkeldüse‘ genannt wurde. Kein Wunder also, dass viele den Durchgang so schnell wie möglich passierten.

Wie dem auch sei, mit der Sperrung im Oktober 1967 hatte es ein Ende mit der ‚Tuberkeldüse‘. Der geschichtsträchtigen Tunnel wurde zur jetzigen Bahnunterführung ausgebaut.

Freigabe des Westrings und des 'neuen' Möllertunnels, 03.08.1970, Foto Stadtarchiv Herne
Freigabe des Westrings und des ’neuen‘ Möllertunnels, 03.08.1970, Foto Stadtarchiv Herne

Mit Fertigstellung der Unterführung wurde der Westring am 03. August 1970 von Oberbürgermeister Robert Brauner freigegeben. Gleichzeitig erfolgte die Sperrung der vielbefahrenen Bahnhofstraße, die Teil der B51 war, für den Durchgangsverkehr.

Am 30. September 1976 schließlich wurde die Fußgängerzone, der jetzige Boulevard Bahnhofstraße, eröffnet.

Zeitgleich mit der Eröffnung der Fußgängerzone gab die Stadt die Broschüre ‚Richtungsweisend – Hernes Stadtkernentwicklung‘ heraus. Und, das wird viele überraschen, den Möllertunnel gibt es nach wie vor. Offiziell, so zeigt eine Luftbildaufnahme des erneuerten Stadtkerns in dieser Broschüre, heißt die Bahnunterführung: Möllertunnel!

Gerd Biedermann

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Quellen:

  • Stadtarchiv, Digitale Bestände, Bestand Möllertunnel