* 19. Mai 1887 (nicht 1864) in Schlüsselburg/Weser (nicht Haus Dahlhausen in Bochum-Hordel), † 24. Februar 1940 in München
„In ihrer Biographie stehen – außer den Jugenddaten – nur vielsagende Striche.“ Dieses schrieb der Heimatschriftsteller Wolfgang Viehweger im Jahr 2001 (Spaziergang im Eichenwald, S. 175). Aufgrund von umfangreichen Forschungen der inzwischen verstorbenen Historikerin Hanne Hieber († 2016) aus Dortmund wissen wir nun mehr, auch wenn es weiterhin biographische Lücken im Lebenslauf von Elisabeth Schragmüller, „Elsbeth“ genannt, gibt.
Ihr Vater war der Rittergutseigentümer (Haus Dahlhausen in Bochum-Hordel), Lieutnant und Amtmann Carl-Anton Schragmüller (1858-1934), ihre Mutter Valesca war eine geborene Cramer von Clausbruch, deren Familie als Seidenhändler in Goslar lebte. Beide waren evangelischer Konfession.
Nach seiner Zeit als Amtmann in Schlüsselburg bis 1887 und einer Zwischenstation in Stift Keppel/Sauerland (1887 – 1889) wurde Carl Schragmüller für 21 Jahre von 1889 bis zu seinem Abschied 1910 Amtmann von Mengede. Das auf Initiative von Schragmüller per Mehrheitsbeschluss errichtete Amtshaus (Adresse: Am Amtshaus 1, 44359 Dortmund-Oestrich) ist inzwischen renoviert und steht unter Denkmalschutz. Es ist Sitz der Bezirksverwaltungstelle Mengede (mit Standesamt). Der Sitzungssaal (1. Obergeschoss) ist Tagungsort der Bezirksvertretung.
In Mengede wurden Elsbeths vier Geschwister geboren: Karl Ludwig, Franziska, Klara und Johannes Konrad.
Die Familie lebte in der von Carl-Anton Schragmüller erbauten, sehr gut ausgestatteten „Villa Schragmüller“ – beispielsweise mit Billardzimmer. Die Villa ist inzwischen niedergelegt, nur das Kutscherhaus ist weiterhin vorhanden (anders als in Strünkede, Herne-Baukau) und der großzügige Garten ist heute ein öffentlicher Park. Finanziert hat Carl-Anton Schragmüller sein Anwesen wohl aus dem Verkauf von Haus Dahlhausen an Krupp für 580 000 Goldmark im Jahr 1890. Grund für diesen Verkauf waren die durch die Krupp-Zechen Hannover und Hannibal verursachten schweren Bergschäden (u.a. deswegen Einstellung des Betriebes seiner „Grieskamp-(Wasser-) Mühle“), deren Regulierung offensichtlich zu viele Probleme mit sich brachte (Vergleichbares machte der Bauer Middeldorf in Eickel an der heutigen Edmund-Weber-/Ecke Hordeler Straße).
Mit 9 Jahren, wie später auch ihre Geschwister, kam Elsbeth 1896 zur weiteren Schulausbildung zu ihrer Großmutter Elise (väterlicherseits) nach Münster, welcher der Fremdsprachenerwerb sehr wichtig war. Anschließend absolvierte sie ein Mädchen-Pensionat in Weimar. Bei ihren Eltern erreichte Elsbeth, dass sie ab 1906 das humanistische Lessing-Gymnasium in der badischen Hauptstadt Karlsruhe besuchen konnte, an dem sie 1908 das Abitur ablegte – in Preußen konnten Mädchen erst ab 1908 ein Gymnasium besuchen.
Im gleichen Jahr 1908 begann sie an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg das Studium der Staatswissenschaften. 1913 wurde sie nach rund 10 Semestern mit Summa cum laude zur Dr. rer. pol. promoviert (Promotionschrift:“Die Bruderschaft der Borer und Ballierer von Freiburg und Waldkirch. Beitrag zur Gewerbegeschichte des Oberrheins“ Volkswirtschaftliche Abhandlungen der badischen Hochschulen. NF 30), Karlsruhe 1914).
Anschließend war sie beruflich bei der Volkswohlfahrt in Berlin tätig und zugleich Dozentin für Staatsbürgerkunde beim Lette-Verein, einer Ausbildungsstätte für neue Frauenberufe.
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges übte sie aufgrund einer recht abenteuerlichen, persönlichen Initiativbewerbung – schließlich als Leutnant (später Oberleutnant; Generalin wurde sie nicht) – eine Tätigkeit der Kontrolle beschlagnahmter Briefe belgischer Soldaten bei der Sektion VII der Kommandantur der Garnison Brüssel aus. Danach wechselte sie nach Lille, Frankreich. 1915 erhielt Schragmüller durch den Chef der Abteilung III (Geheimdienst) des Generalstabs, Oberst i.G. Walter Nicolai, die Leitung der Sektion der Kriegsnachrichtenstelle Antwerpen, deren Auftrag der Nachrichtendienst gegen Frankreich war.
Von hier aus hat Elsbeth Schragmüller auch Mata Hari instruiert. In französichen, englischen und amerikanischen Geheimdienstkreisen wurde sie in Unkenntnis ihres tatsächlichen Namens „Madmoiselle Docteur“ genannt. Im für die Reichswehr erstellten Erfahrungsbericht von Generalmajor Friedrich Gempp über den deutschen militärischen Nachrichtendienst im Ersten Weltkrieg wird Schragmüller mehrfach erwähnt und es sind dort auch Texte von ihr enthalten.
Der Roman „Spionage“ von Hans-Rudolph Berndorff aus dem Jahr 1929, der zugleich Vorlage für ein Theaterstück und mehrere, auch international aufgeführte Spionagefilme (u.a. Madmoiselle Docteur, 1936) war, enthält sehr viel Dichtung aus dem Spionagemilieu und sehr wenig der Lebenswirklichkeit von Elisabeth Schragmüller.
Vermutlich in den 1960-er Jahren hat die Lokalausgabe Wanne-Eickel der WAZ eine Artikelserie über Elisabeth Schragmüller veröffentlicht. Sie selbst hat sich nur einmal und dabei auch sehr wenig konkret („Ich entstamme väterlicherseits alter, landeingesessener Ritterguts- und Offiziersfamilie.“ (Artikel in: Felger, Friedrich, Hg., Was wir vom Weltkrieg nicht wissen, 1929).
Nach dem Ersten Weltkrieg hat Elsbeth Schragmüller in Freiburg eine wissenschaftliche Tätigkeit bei ihrem Doktorvater Prof. Dr. rer oec. Karl Diehl als Lehrstuhlassistentin ausgeübt. Sie war die erste weibliche Assistentin in Deutschland und veröffentlichte mehrere Artikel in Fachpublikationen (z.B. ‚Das Problem der Goldwerte‘, In: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Hg. Elster, Ludwig, 119. Bd. III. Folge 64. Bd. 1922.2, Jena 1922, S. 145-149). – Auch ihre Eltern und ein Bruder lebten in Freiburg.
Aus bisher nicht bekannten Gründen zog Elsbeth Schragmüller dann Ende der 1920-er Jahre mit ihrer Familie nach München. Dort starb ihr 76-jähriger Vater im Jahr 1934. Im gleichen Jahr wurde ihr Bruder Johann Konrad, der Polizeipräsident in Magdeburg war, während der Röhm-Affäre wie viele weitere innerparteiliche Konkurrenten und Gegner von Adolf Hitler durch die Nationalsozialisten ermordet (erschossen). Politisch war Elsbeth Schragmüller rechtskonservativ und vermutlich keine Gegnerin des Nationalsozialismus, allerdings keine aktive Nationalsozialistin – im Unterschied zu ihrem ermordeten Bruder Johann Konrad.
Die Familie scheint in finanzielle Schwierigkeiten geraten zu sein. Elsbeth Schragmüllers früherer Chef, Oberst i.G. Walter Nicolai, versuchte, eine Pension für sie zu erreichen. Es ist bisher unbekannt, ob dieses Erfolg hatte. Schragmüllers Mutter Valesca war schwer krank und die mit im Haushalt lebende jüngste Schwester Klara, „Claire“ fand keine Beschäftigung.
1940 starb Elsbeth Schragmüller, ob an Knochentuberkulose ist bisher nicht belegt, im Alter von 52 Jahren in der Wohnung der Familie in München – sechs Jahre nach ihrem Vater. Ihre Grabstätte ist bisher ebenfalls unbekannt. Auf dem Familienfriedhof in Bochum-Hordel, auf dem in den 1930-er Jahren die letzte Bestattung erfolgte, ist sie wohl nicht beerdigt worden. Ein Nachlass ist vermutlich nicht vorhanden.
Carl-Anton Schragmüller hatte als Amtmann von Mengede (1889 – 1910) sehr viel erreicht. Er arbeitete initiativ und tatkräftig an der Erstellung der wichtigen Infrastruktur (Straßen, Gas und Wasser) mit sowie auch mit am Bau von (Bergmanns-) Wohnungen und Schulen. Heute gibt es im nunmehr zu Dortmund gehörenden Mengede/Oestrich eine Schragmüllerstraße, einen Schragmüller-Park sowie eine Schragmüller-Gemeinschaftsgrundschule. Ob das von Carl Schragmüller gegen Widerstände errichtete Amtshaus weiterhin erhalten ist, bleibt einer zusätzlichen Recherche
vorbehalten.
Nach Hanne Hieber waren „berufliches Engagement und Selbständigkeit … die Antriebskräfte“ von Elisabeth Schragmüller aus der „ersten Generation des Frauenstudiums und der hochqualifizierten berufstätigen Frauen in Deutschland.“ (Heimatblätter (Mengede)- Beilage Nr. 6, 4.September 2004).