Wie man früher in Holthausen Hochzeit feierte

Quelle: Bauer Engelbert Wiesche sen., Schneidermeister Theodor Bernhard Rottmann

Bis zum Ersten Weltkrieg waren in Holthausen noch manche Hochzeitsbräuche lebendig.

Der Werber, der die Heirat unter Umständen vermittelte bekam für seine Bemühungen, wenn sie Erfolg hatten, „en Leienhimmend met flessen Kragen,“ d. h. er erhielt ein Hemd aus groben Leinen (selbstgesponnenes Leinen mit Einschlag aus Hede) mit einem Umschlagkragen aus besserem Leinen.

Bei der Verlobung gab der Vater der Braut beim Mittagessen bekannt, dass sich seine Tochter mit dem jungen Mann verloben wolle. Darauf wurden die Ringe gewechselt.

Das Brautpaar wurde vor der Hochzeit dreimal an Sonntagen in der Kirche aufgeboten. Am ersten Sonntag erschienen die Nachbarjungen bei der Braut zum Kaffee. Nach dem Kaffee wurde „die Braut verkauft“. Unter allerlei scherzhaften Bemerkungen machte man dem Bräutigam klar, dass er sein Mädchen nicht umsonst aus der Nachbarschaft wegholen könne, er müsse sie ihnen abkaufen. Der Bräutigam bot zunächst wenig, vielleicht 2 – 3 Mark. Das lehnten die jungen Burschen natürlich als zu wenig ab, und so kam ein regelrechter Handel zustande; bei dem der Preis durch den Bräutigam immer mehr gesteigert wurde, bis er schließlich eine annehmbare Höhe, etwa 20 – 30 Mark erreichte. Diese Summe musste der Bräutigam für die anwesenden Nachbarn stiften die den Kaufpreis natürlich auf ihre Weise, d. h. für Bier und ähnliche Dinge verbrauchten.

Der Brautwagen wurde in der Regel am Tage vor der Hochzeit von den Nachbarn zum Hause des Bräutigams gefahren. Das Fahren des Brautwagens war Aufgabe der älteren Nachbarn, die verheiratet waren, während die jungen Nachbarburschen an Hochzeitstage selbst ihre Ämter zu versehen hatten. Die Möbel wurden auf einen Leiterwagen gepackt; hoch oben darauf stand der Reiserbesen, in den ein lebendiger Hahn gebunden war. Damit dieser unterwegs lustig krähte, wurde er vorher mit Schnaps getränkt. Am Hause des Bräutigams angekommen, luden die Begleiter des Wagens die Möbel ab. Dabei versuchten die Nachbarn des Bräutigams, heimlich von dem Brautwagen ein Rad zu entwenden. Das musste dann durch die Braut und die mitgekommenen Nachbarn wieder zurückgekauft werden. Es wurde solange gehandelt, bis ungefähr der gleiche Preis erzielt wurde wie beim Verkaufen der Braut.

Der Hochzeitsbitter, der hier „Gassenbitter“ (= Gastbitter) hieß, ging mehrere Wochen vor der Hochzeit und lud sämtliche Gaste persönlich ein. Sein Spruch in plattdeutscher Sprache vorgetragen, lautete ungefähr wie folgt:

„Ick lade Ink ter Hochteyt in, do gitt et Beier, Wien und Brantewien, Musikanten söllt nich to wenig sien, do gitt et en Stück vam Schenken, do sölt ihr lange an denken! Do gitt et en Stuck van Broen, do künnt Ihr gutt nao gohen, do gitt en Stück vane Wuerst, dat is guet für de Buorst, Makt Ink fien, awer nich to fien Brut un Brütigam willt am fiensten sin!“

Hochzeitsbild aus dem Jahr 1898, Repro Stadtarchiv Herne

Die Nachbarn hatten die Pflicht, sich an allen Vorbereitungen für das Fest zu beteiligen, sie zum Teil ganz übernehmen. Das Brautbett z. B. musste vom Nachbarn der Braut fix und fertig aufgemacht werden, und zwar am Abend vor den Hochzeit. Dabei versuchten die Nachbarn des Bräutigams die Arbeit in scherzhafter Weise zu stören, indem sie das fertiggemachte Bett wieder durcheinander brachten. Weiter hatten die Nachbarn über der großen und kleinen Haustür einen Kranz von frischem Grün anzubringen. Die Bedienung der Gäste an Hochzeitstage gehörte ebenfalls zum nachbarlichen Pflichtenkreis.

Es gab große und kleine Hochzeiten. Bei großen Hochzeiten wurde das gesamte Dorf eingeladen, ebenso der Kranz den Verwandten recht weit gezogen. So gab’s in Holthausen um 1900 noch Hochzeiten mit 700 Gästen. Dann reichte das Haus zum Feiern nicht aus. Daher verlegte man einen großen Teil des Festes ins Freie. Man zimmerte aus einfachen Tannenbrettern Tische und Bänke, die auf einem freien Platz wenn möglich auf einer Wiese, in der Nähe des Festhauses standen. Dort wurden dann die Mahlzeiten eingenommen. Bei großen Hochzeiten gab es als Mittagsmahl Sauerkraut mit weißen Bohnen, Kartoffelpüree mit gekochtem Schinken, zum Nachtisch dicken Reis. Bei kleinen Hochzeiten gab’s mittags nur dicken Reis mit Zucker und Zimt (Reishochzeit). Am Abend aß man Butterbrot mit Schinken und Wurst.

Am Abend vor dem Feste veranstalteten die jungen Burschen aus der Nachbarschaft den Polterabend, indem sie die Tür des Hauses mit Krügen, Töpfen und Scherben bombardierten, bis sich der Bräutigam durch einen guten Trunk loskaufe.

Verlauf des Hochzeitstages. Dem nach der Trauung aus dar Kirche heimkehrenden Hochzeitspaar wurde von Kindern und Erwachsenen mit einem Seil der Weg versperrt und nicht eher freigegeben, bis eine Handvoll Kupfermünzen über die Straße rollte. Beim Eintritt in die Deelentür überreichte ein junges Mädchen der Braut ein geschmücktes Tablett mit einen gefüllten Weinglas, welches von der Braut geleert wurde, Danach empfing die Gratulantin vom Brautpaar und Gefolge ein Trinkgeld.

Die Gäste weilten fast nur zum Mittag- und Abendessen im Hochzeitshause. Beim Mittagessen kam die Köchin und sammelte Trinkgeld. Gleichzeitig gab der Gästebitter bekannt: Kaffee trinken könnt ihr bei dem und dem, dabei nannte er eine Reihe Bauern aus der Nachbarschaft bei denen der Kaffee bereitstand. Dann gingen die Gäste gruppenweise von Haus zu Haus, besahen hier das Vieh spielten dort Karten und tranken Kaffee wo es ihnen gutdünkte. Das gesamte Dorf stand in Zeichen des Festes.

Gegen Abend hieß es: „Wey mött ieben nau Gieven!“ d. h. wir müssen unsere Geldgeschenke noch abliefern. Es ging zurück zum Hochzeitshause, dort wurde zu Abend gegessen und danach von den Gästen, die am Abend vorher noch keine Gabe abgeliefert hatten, das fällige Geldgeschenk überreicht. Danach gab’s noch Spiel und Tanz auf einer benachbarten Deele, dazu war dann in der Regel eine Musikkapelle erschienen.

Um Mitternacht setzte die Braut den Kranz ab und zog ein anderes Kleid an. Tat sie es nicht von selbst so mussten die Nachbarn dafür sorgen. Der Bräutigam erhielt Holzschuhe an die Füße, die Braut eine Nachtmütze aufgesetzt. Eine Hochzeitsfeier musste nicht unbedingt nur einen Tag dauern. Das Verzehren der Reste, das Ab- und Einräumen gab Gelegenheit zu allerlei Nachfeien bei denen auch die zu ihrem Recht kamen, die am Hochzeitstage die Gäste mit Kaffee bewirten mussten und daher am eigentlichen Feste nicht teilhaben konnten, so konnte mancher alte Bauer später mit Stolz seinen Enkeln erzählen: Unsere Hochzeit hat damals Tage gedauert.

Friedrich Becker

Aus: Friedrich (Fritz) Becker, Holthausen – Geschichtliches, Überliefertes, Erlebtes, unveröffentlichtes Manuskript, 1988, Seiten 44 bis 46

Der Text wurde von Gerd Biedermann entdeckt und für das digitale Geschichtsbuch aufbereitet. Die Veröffentlichung des Textes wurde von Andrea Dahmen, Enkelin von Friedrich Becker, freundlich genehmigt.