oder: Schilda lässt grüßen!
Nun gut, die Wanner hatten die überdachte Flanier- und Einkaufsmeile zwar nicht erfunden, aber im Ruhrgebiet waren sie mal wieder die Ersten. Was bereits in Paris, London oder Brüssel das Stadtbild zierte, machte Ende des 19. Jahrhunderts auch in Deutschland Mode. Berlin, Hamburg und Frankfurt protzten mit prunkvollen, überdachten Passagen – höchste Zeit, dass auch Wanne eine bekam.
Das zumindest dachten sich einige betuchte Bürger, die 1904 erst mal damit begannen, längs der Mozartstraße ein Dutzend Wohn- und Geschäftshäuser mit feinsten Jugendstilfassaden hinzusetzen. Als dies getan war, zogen feine Lädenin
die neue Adresse – und zum Schluss dieses achtjährigen Projektes setzte man dem Ganzen noch ein Glasdach auf. Fertig war die erste Shopping-Mall des Ruhrgebiets. Wie man das Ding nennen sollte? Na: Kaiserpassage – wenn schon, denn schon. Und schließlich führte die vornehme Passage
ja auch direkt zum Kaisergarten.
Man muss sich das mal vorstellen: Die verrußte, kleine Gemeinde Wanne war noch nicht mit Eickel zusammengeschlossen – und übte noch, eine richtige Stadt zu werden. Die Hauptstraße begann sich gerade als zentrale Achse und Einkaufsstraße herauszubilden, mit noch vielen Baulücken zwischen den einzelnen Häusern. Und wer zum Kuckuck sollte hier so viel Geld haben, auf diesem Mini-Boulevard nach Herzenslust einzukaufen?
Die Zeit meinte es dann auch nicht wirklich gut mit der Edel-Meile: Nach 1918 machte Deutschland ohne Willem weiter, der Kaisergarten wurde zum profanen Stadtgarten – und auch die Kaiserpassage verlor ihren prächtigen Herrschertitel. Weiteres Ungemach trübte das Bild. Vornehmlich von oben, denn Zechenruß und Taubenscheiße legten sich auf das Glasdach und verdunkelten die Straße.
Hydraulische Arbeitsbühnen und Hochdruckreiniger waren noch nicht erfunden, der Dreck auf dem Dach wurde zum echten Problem. Und zwar zu einem so großen, dass die einst stolzen Erbauer es schließlich Ende der 1920er Jahre abreißen ließen. Die Mozartstraße blieb, aber eine Passage gab es seitdem nie wieder in Wanne. Und in Eickel auch nicht…
Eine wirklich feine Adresse: Allein das Kaufhaus Weinberg war schon ein Hingucker. Komplett verglaste, doppelstöckige Schaufensterfront, natürlich um die Ecke geschwungen, aufs Feinste gefüllt mit edler Ware. Findet man heute nicht mehr in Wanne-Eickel …
Wolfgang Berke
Aus: Berke, Wolfgang, Das Buch zur Stadt Wanne-Eickel, Mythen, Kult, Rekorde: Eine Zeitreise durchs Herz des Ruhrgebiets, Das Buch mit der Website: www.wanne-eickel.info, 136 Seiten, Klartext Verlag, Essen 2002, Seiten 52 und 53, Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Wolfgang Berke.
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