Die Gründung eines Kirchenbauvereins am 05. November 1899 war der erste Schritt auf dem Weg zur Bildung einer eigenen katholischen Kirchengemeinde in Holsterhausen. Der Grundstein eines Gotteshauses wurde am 14. Mai 1906 gelegt, die feierliche Weihe erfolgte am 08. August 1907. Die dem heiligen Franziskus von Assisi geweihte Kirche war auf einem Grundstück nahe der Herner Straße (heute Holsterhauser Straße) errichtet worden.
Zum 01. Oktober 1909 wurde die Abtrennung von der Eickeler Kirchengemeinde St. Marien und zugleich die Erhebung zur selbstständigen Pfarrgemeinde ‚Eickel-Holsterhausen‘ vollzogen.
Spätestens mit dieser Abpfarrung begann im nördlichen Holsterhausen die Diskussion über einen weiteren Kirchenneubau nahe der Julia-Kolonie. Diese dauerte jedoch bis 1921, als die Kongregation der ‚Missionare von der Heiligen Familie‘ (M.S.F.), deren Mutterhaus damals im holländischen Grave stand, von dem Bauern Meeßmann ein Grundstück an der Rottbruchstraße mit einer 16 Meter langen und 12,5 Meter breiten Scheune erwerben konnte. Das rief die Opposition von St. Franziskus auf den Plan. Die Proteste im Generalvikariat mit dem Ziel, das Bauvorhaben rückgängig zu machen, blieben erfolglos.
Mit 20 bis 25 Arbeitern baute man das landwirtschaftliche Gebäude zu einem Missionshaus um. Die Haustür musste zur Giebelfront an der Straße verlegt werden. Der enge Flur führte durch die Länge des Hauses in die in eine Kapelle umgewandelte Tenne. Den Stall richtete man als Sakristei ein. Die Diele diente als Speisezimmer, gegenüber lag die Küche, ‚eine Einrichtung, auf die man hier auf Erden nun einmal nicht gut verzichten kann‘. Links vom Eingang benutzte man einen kleinen Raum als Sprechzimmer. Daneben befand sich das Zimmer eines Paters. Die erste Etage hatte vier Räume, die von drei weiteren Patres und einem Ordensbruder, dem Küchenchef, bewohnt wurden.
Die Türen waren so niedrig, dass ‚eine mittlere Person mit Leichtigkeit die nächtlichen Störenfriede von Stechmücken selbst an der Decke faustrechtlich bekriegen konnte. Darüber war der ‚Boden‘, für dessen Lüftung reichlich gesorgt war, denn die Eichenbretter, mit denen die beiden Giebelseiten zugemacht waren, liessen dem Winde genug Spielraum; da spielte er denn auch oftmals seine schrecklichsten Melodien, die keineswegs als Schlaflieder zur nächtlichen Ruhe geeignet waren. Auch das Rückgrat des Daches war vom Alter gebeugt und wieder war´s der Wind, der hier das Alter nicht in ehrenwerter Ruhe lassen konnte und zupfte bald da, bald dort am Dache eine oder mehrere Pfannen herab und manchmal erinnerte mein Zimmer mich an Spitzweg, des ‚Studiosus Dachkämmerlein‘, der mit dem Regenschirm im Bette sass. Monotones Tröpfeln weckte dann gewöhnlich den Wächter aus dem Schlaf, dann wurden Eimer gesucht und im Scheine eines Kerzenlichtes ging es die Leiter hinauf, der ‚Wassernot‘ abzuhelfen. Für den Anfang genügte dies Wohnhaus. Wir hatten auch keinen Neider.‘ Soweit die Erinnerungen eines Chronisten.
In einer großen Prozession wurde das Allerheiligste am 16. Oktober 1921 von der Kirche St. Franziskus zur Filialkirche ‚Haus Nazareth‘ gebracht. Der Umbau zum Missionshaus war vollendet. ‚Das kleine Türmchen auf dem Dache war für den Vorübergehenden das einzige Wahrzeichen der gründlichen Umwandlung gewesen.‘ Regelmäßiger Sonntagsgottesdienst konnte aus Platzgründen vorläufig noch nicht gefeiert werden. Werktags gingen die Schülerinnen und Schüler der Overbergschule zur Messe in die neue Kirche. Ende 1921 arbeiteten und wohnten hier außer dem ersten Rektor Pater Heinrich Roeb M.S.F. noch drei Patres und zwei Brüder.
Im Frühjahr 1923 wurde beim Bischöflichen Generalvikariat in Paderborn die Erlaubnis zum Bau einer Notkirche beantragt, weil die Hauskapelle für sonntägliche Gottesdienste zu klein war. In der Chronik lesen wir dazu: ‚Leider trübte dies Aufgreifen unseres Planes das Verhältnis zum neuen Ortspfarrer. Er suchte durch sogenannte Protestschreiben an die kirchliche und Ordensobrigkeit das Unternehmen zu sabotieren. Er betrachtete die Gründe als hinfällig besonders durch ‚die Entvölkerung‘ der Gemeinde durch den Abzug der Polen nach Frankreich. Dies ereignete sich in der Zeit des passiven Widerstandes in der Zeit der rapiden Geldentwertung unter dem Schutze der französischen Besatzung. Indes war dieselbe kirchen- und gemeindepolitisch bei weitem nicht so bedeutend. Vielleicht sogar des Friedens wegen förderlich.‘
Am 28. März 1923 erteilte der Bischof die Genehmigung zum Bau einer Notkirche. Aus der Inflationszeit stammt folgende Überlieferung des Chronisten: ‚Geldliche Auslagen wurden durch Sammlungen bestritten. In den Pfarreien der Umgegend hatten wir die Erlaubnis zu Bettelpredigten. Es ist vielleicht geschichtlich noch interessant, wenn ich hier mitteile, dass wir die eingegangenen Gelder in Koffer und Paketen zum Teil zu Zweien nach Hause schleppten. Wir waren da einmal Millionäre, weil es ein jeder war. Jeder hatte viel und doch nichts. Wir kamen aus der eisernen Zeit (eisernes Geld) in die papierene (Papiergeld). Im Besitze von Millionen und Milliarden war man dennoch arm.‘ Die Weihe der für den öffentlichen Gottesdienst bestimmten Klosterkirche konnte am 11. November 1923 gefeiert werden.
Zum 01. April 1924 wurde die seelsorgerisch selbstständige Pfarrvikarie ohne eigene Vermögensverwaltung gegründet und erhielt den Namen ‚Eickel/Haus Nazareth‘. Der Klosterneubau konnte am 05. November 1925 geweiht werden. Zuvor hatte man am 23. Mai 1925 zünftig Richtfest gefeiert: ‚Der Bau wurde vorschriftsmässig begossen. Maurer, Zimmerleute, Betonarbeiter und die Bauleitung waren im geschmückten Raume hinter dem 100-Liter-Fass beisammen und liessen sich die 300 Brötchen gut schmecken. Es soll nicht konstatiert werden, wer die meisten gegessen hat. Auch an Reden hat es nicht gemangelt.‘
Im Zuge eines neuen Auftriebs der Jugendbewegung stieg die Zahl der Meßdiener 1935 von 14 auf 86. 1942 wurde die untere Etage des Klosters vom Rettungsdienst des Luftschutzes beschlagnahmt.
Am 03. Juli 1946 hielt die CDU im Klostergarten ihre Gründungsversammlung ab. In der Chronik von 1948 über Ereignisse ist zu lesen: ‚Am Fest der Heiligen Familie wurde die gesamte Gemeinde zu einer Weihnachtsfeier in den Saal Schneider, Herne-Baukau, geladen. Die Lebensmittel waren knapp, das Bier war schlecht, aber die Stimmung war ausgezeichnet.‘ 1949 berichtet der Chronist: ‚Es kam immer wieder vor, daß einzelne Betrunkene in der Weihnachtsnacht die Uchte störten. Besonders schlimm war es in diesem Jahr. Der Pfarrvikar entschloß sich daher, vom folgenden Jahr an die Uchte auf den ersten Weihnachtstag morgens um 5 Uhr zu verlegen.‘
Nach jahrelanger tatkräftiger Unterstützung der Pfarrgemeinde durch das Kloster erfolgte 1953 die Errichtung der ‚Pfarrvikarie Heilige Familie‘ mit eigener Vermögensverwaltung. Nachdem die kleine Klosterkirche wegen Bergschäden abgetragen werden musste, konnte der heutige Kirchenneubau am 19. September 1954 von dem damaligen Weihbischof von Paderborn und späteren Essener Kardinal Dr. Franz Hengsbach geweiht werden. Zum 01. Januar 1967 wurde die Pfarrvikarie zur ‚Katholischen Pfarrgemeinde Hl. Familie, Wanne-Eickel‘ erhoben.
Haus Nazareth hat zum 01. Juli 1997 für immer seine Pforten geschlossen. Es folgte ein Umbau und eine Erweiterung des Klostergebäudes durch den Caritasverband zu Wohnungen für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen und für Senioren im Rahmen des betreuten Wohnens.
Manfred Hildebrandt, Jürgen Hagen
Quellen:
- Stadtarchiv Herne, Dokumentationsbibliothek, Bestand Kirchen, Kirchengemeinde Hl. Familie
- Herne – von Ackerstraße bis Zur-Nieden-Straße, Stadtgeschichte im Spiegel der Straßennamen, bearbeitet von Manfred Hildebrandt, Ralf Frensel, Jeannette Bodeux, Franz Heiserholt, Veröffentlichungen des Stadtarchivs Herne, Band 1, Herne 1997, Seite 409, Klosterstraße