Der Bindestrich wird geboren

Die traute Eintracht im Amte Wanne hielt allerdings nur von 1875 bis 1891: Die Gemeindebezirke Eickel und Holsterhausen verabschiedeten sich aus der schönen neuen Stadt, bauten sich an der heutigen Richard-Wagner-Straße ein eigenes Rathaus und waren fortan das Amt Eickel. Blieben also noch Röhlinghausen, Crange und Bickern. Letzteres wurde 1897 sogar in Wanne umbenannt.

Nette Stube: der kleine Sitzungssaal im Eickeler Amtshaus in den 1920er Jahren. Repro Stadtarchiv Herne

Diese drei verbliebenen Gemeinden sorgten in der Folgezeit für manch kuriose Posse. 1899 hatten einige Röhlinghauser Bürger keine Lust mehr auf Wanne, weil ihnen der Weg zum geplanten Neubau des Rathauses (eben jenes, das es auch heute noch gibt) als zu weit erschien. Antrag abgelehnt – zähneknirschend mussten sie bleiben bzw. wandern. Ein Jahr später hatte dann Wanne keinen Bock mehr auf Wanne: Die Gemeinde beantragte das Ausscheiden aus dem gleichnamigen Amtsverband. Crange und Röhlinghausen sagten nein – und Wanne musste in Wanne bleiben. 1902 versuchten es die Röhlinghauser noch einmal. Im Juli schickten sie eine Abordnung zum Regierungspräsidenten nach Arnsberg, um als unabhängiges Amt Röhlinghausen anerkannt zu werden.

Der Weg zu diesem Rathaus erschien den Röhlinghausern als unzumutbar. Das prächtige neue Amtshaus Wanne wurde im Januar 1905 eingeweiht. Auf dem Platz davor wurden Märkte abgehalten. Repro Stadtarchiv Herne

Jetzt witterte Gelsenkirchen seine Chance zuzugreifen, schließlich war Röhlinghausen mit seinen zwei Zechen und Steuerquellen ein überaus schmackhafter Happen. Die Röhlinghauser schienen etwas zu ahnen und schickten im Oktober eine Abordnung nach Gelsenkirchen, die dort erklärte, man habe das doch alles nicht so gemeint und wolle brav im Amt Wanne bleiben. Trotzdem versuchten es die Röhlinghauser Klotzköpfe in den Jahren 1905, 1911 und 1912 noch einmal mit ihrer Selbstständigkeit – immer mit dem gleichen negativen Resultat.

Wie schon bei Gelsenkirchen, das mit dem sich ständig vergrößernden Essen gleichziehen wollte, wurde auch bei den anderen Großstädten Herne und Bochum Appetit auf die Wanner und Eickeler Filetstückchen geweckt. Für Bochum wäre es der direkte Zugang zum Rhein- Herne-Kanal gewesen. Herne wollte es seiner Zeche Shamrock ermöglichen, beide Schachtanlagen innerhalb eines Stadtgebietes zu betreiben. Der Appetit wurde zur Gier, Wanne und Eickel kämpften ums nackte Überleben und verblüfften schließlich mit dem Plan, wieder eine gemeinsame Stadt bilden zu wollen. Auch Röhlinghausen verspürte plötzlich den unbändigen Wunsch, wieder mit Wanne und Eickel ein Rathaus teilen zu dürfen – ganz egal, wo es liegen mochte.

Jubel auf dem Eickeler Markt: Am 01. April 1926 wurde die Städte-Ehe mit Wanne gefeiert. Die Hülsmann-Brauerei (im Hintergrund) machte an diesem Tag wahrscheinlich einen ziemlich guten Umsatz … Repro Stadtarchiv Herne

Die Stärke der resistenten Gemeinden überzeugte schließlich auch die entscheidenden Gremien. Über 50.000 Menschen lebten in Wanne und Eickel, genug für eine selbstständige Stadt. Und so durften die Beteiligten im Sommer 1925 jubeln: „Die Gemeinden werden nach langen und wechselvollen Kämpfen endlich ihr Ziel erreichen und gemeinsam eine Stadt bilden, die in Bezug auf Entwicklung und Ausbauung die besten Aussichten bietet.“ Kollektiver Gedächtnisschwund: Sie schienen vergessen zu haben, dass sie 26 Jahre zuvor schon einmal so weit waren. Am 01. April 1926 wurde es feierlich: Wanne und Eickel bekamen ihren heiß ersehnten Bindestrich und die dazugehörenden Ortsschilder.

Wolfgang Berke

Aus: Berke, Wolfgang,  Das Buch zur Stadt Wanne-Eickel, Mythen, Kult, Rekorde: Eine Zeitreise durchs Herz des Ruhrgebiets, Das Buch mit der Website: www.wanne-eickel.info, 136 Seiten, Klartext Verlag, Essen 2002, Seiten 12 und 13, Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Wolfgang Berke