Bernhard Linvers ging sonntags noch zur Schlosskapelle
sagt der fast 72jährige Fuhrunternehmer Bernhard Linvers, der kürzlich auf eine 60 Jahre lange Geschäftszeit zurückblicken konnte.Traurig schaut er auf das Bild von „Hans“, den er selbst gezogen hatte. Ein Vierteljahrhundert zog „Hans“ Möbelwagen oder Kohlenkarren und brachte manchen Wanne-Eickeler zur letzten Ruhe. „Es muss wohl Schicksal sein, dass er gerade auf einem Friedhof in ein Ein-Mann-Loch stürzte und das Bein brach“, meint L. Als er zur Unglückstelle gerufen wurde, wieherte „Hans“ noch einmal auf; am nächsten Tag war „Hans“ tot.
Ruhiges Leben vor 50 Jahren
Als Linvers in der Heidstraße sein Geschäft eröffnete, dachte noch niemand an Autos und Straßenbahnen. Möbeltransporte bis Hamborn und weiter wurden nur mit Pferd und Wagen vorgenommen. „Wir waren Tag und Nacht unterwegs, kauften in den „Stammwirtschaften“ zur Mahlzeit ein Stück Wurst und einige Brötchen – und natürlich ein paar große Schnäpse“, erzählt L. „Es waren schöne ruhige Zeiten…“
Fuhrmann muss Zigarre rauchen
„Einmal hatte ich einen neuen Fuhrmann, der sich in der Gegend nicht auskannte. Als ich den nach Gelsenkirchen schickte, um Sauerstoff zu holen, riet ich ihm, das Pferd – es war „Hans“ – ruhig laufen zu lassen. Und er kam auch richtig an der Rampe an.“ Dann schwelgt L. in Erinnerung an die guten Zigarren vor dem ersten Kriege. „Fünf Pfennige das Stück, da musste ein Fuhrmann ja Zigarrenraucher werden.“
L. ist im „Kattenbusch“, der heutigen Bickernstraße, geboren. Er denkt noch oft an den weiten Schulweg bis zur späteren Diesterweg-Schule. Vor 60 Jahren musste er werktags mit den Eltern in die Schlosskirche nach Crange pilgern, sonntags war Gottesdienst in Eickel. „Ich habe die ganze Entwicklung von Wanne und Eickel, von der Petroleumfunzel über die Gaslampe zum elektrischen Licht, vom Pferdeomnibus „Alter Bahnhof – Herten“ über die Straßenbahn bis zum Autobus, mitgemacht“, freut er sich. Apropos, alter Bahnhof: „Es gibt wohl nicht mehr viele Wanne-Eickeler, die sich der Zeit erinnern, als beim Einlaufen des Zuges die Glocke ertönte.“
Möbelwagen brannte aus
Aber auch Schicksalsschläge blieben nicht aus. „Man hat eben gute und schlechte Zeiten durchgemacht.“ Als L. jung verheiratet war, sollte er Möbel zu der heute stillgelegten Zeche Hermann nach Selm bringen. Die Leute hatten selbst geladen, nachts wollte L. dann losfahren. Spät abends kam plötzlich ein Feuerwehrmann und sagte ihm: „Bernhard, dein Wagen brennt.“ „Drei Zimmer Möbel sind da verbrannt, ein schöner Schlag für mich.“ Im letzten Kriege wurde zunächst das Haus zerbombt, dann verlor er durch Bomben zwei Pferde. „Aber wir lassen den Kopf nicht hängen; wenn ich nur nicht gerade so schlecht zurecht wäre“, lacht L. „Noch nie bin ich krank gewesen, es ist das erste Mal, dass ich mir den Magen verkorkst habe. Und trotzdem habe ich nicht mal ein Schnäpschen im Hause, dass wir wenigstens einen „Kleinen“ nehmen könnten. Die Geschäfte dürften aber auch besser sein, Kohlen sind noch zu teuer (die Leute kaufen selten einen Sack voll, sondern fast nur in Eimern) und – es sterben auch weniger Menschen in Wanne-Eickel als früher.“
Der Text wurde von Gerd Biedermann entdeckt und für das Digitale Geschichtsbuch bearbeitet.