Die Eingemeindungen von Sodingen, Holthausen und Börnig

Das Gesetz über die Neuregelung der kommunalen Grenzen im rheinisch-westfälischen Industriebezirk vom 26. Februar 1926 durch das u.a. die Städte Wanne-Eickel und Castrop-Rauxel entstanden sind, brachte für Herne nicht die gewünschten Gebietsvergrößerungen. Dem Begehren, Holsterhausen und Bergen sowie Teile von Riemke und Hiltrop einzugemeinden, wurde nicht entsprochen. Lediglich einige Grenzberichtigungen wurden vorgenommen und ergaben einen kleinen Gebietszuwachs. Flächenabtretungen von Riemke, Wanne-Eickel, Pöppinghausen und Recklinghausen brachten nsgesamt 220,3 Hektar mit 2.481 Einwohnerinnen und Einwohnern. Herne trat 40,7 Hektar mit 858 Menschen nach Wanne-Eickel und Recklinghausen ab. Die Stadt fokussierte sich nun auf das Amt Sodingen.

Hernes Gebietsansprüche, Plan von 1925, Foto Stadtarchiv Herne

Die drei Gemeinden Sodingen (bis 13. Mai 1913 Giesenberg-Sodingen), Holthausen und Börnig, die am 1. April 1902 das Amt bildeten, gehörten zuvor politisch zum früheren Amt Castrop. Am 15. Oktober 1902 übernahm Max Wiethoff die kommissarische Leitung des neu gegründeten Amtes Sodingen, im Juli 1903 erfolgte die endgültige Anstellung als Amtmann.

Amtmann Max Wiethoff, Foto Stadtarchiv Herne
Amtmann Max Wiethoff, Foto Stadtarchiv Herne

Bereits im November 1920 versuchte Herne dem Amt Sodingen eine Eingemeindung schmackhaft zu machen. Die Avancen wurden jedoch entschieden zurückgewiesen, genauso wie ein zweites Annähern im Oktober 1921. Castrop erging es mit entsprechenden Wünschen in den Jahren 1920 und 1925 nicht anders, wobei hier der Ostteil des Amtes Castroper Begehrlichkeiten weckte. In einer Stellungnahme, veröffentlicht im Oktober 1925, führte Castrop als Argument an: „Die Gemeinden des Amtes Rauxel und andere Gemeinden im Osten und Norden von Castrop haben beschlossen, sich mit Castrop zu einer Mittelstadt zu vereinigen, welche etwa 54.000 Einwohner zählen würde. Zur Lebensfähigkeit des Neugebildes ist die Angliederung des Ostteiles des Amtes Sodingen unbedingt erforderlich.“

Eingemeindungsvertrag zwischen der Stadt Herne und den Gemeinden des Amtes Sodingen, Foto Stadtarchiv Herne

1926 wendete sich das Blatt zugunsten von Herne. In einem Entschließungsantrag des Gemeindeausschusses des preußischen Landtages vom 21. Januar 1926 hieß es: „Das Amt Sodingen ist mit der Stadt Herne zu vereinigen.“ Daraufhin folgende Besprechungen zwischen dem Landrat des Kreises Dortmund und Vertretern des Amtes Sodingen und der Stadt Herne machten den Weg für Eingemeindungsverhandlungen frei, die bereits im Juli 1926 in einem Eingemeindungsvertrag fußten. Herne verpflichtete sich u. a. für die Unterhaltung der Straßen und Bürgersteige der drei Gemeinden jährlich mindestens 60.000 Mark aufzuwenden, in den kommenden 10 Jahren keinen Schlachthofzwang im Amt auszuüben und dem katholischen Krankenhaus in Börnig fiir ungedeckte Fehlbeträge jährlich bis zu 15.000 Mark zuzuschießen. Die im Entstehen begriffene höhere Schule des Amtes sollte mit einer in Herne bereits bestehenden höheren Knabenschulen vereinigt werden. Innerhalb von zwei Jahren nach Eingemeindung war im Grenzbereich von Sodingen und Herne die Errichtung eines neuen Schulgebäudes nebst Turnhalle der zusammenzuführenden Schulen vertraglich festgeschrieben worden. Die Wirtschaftskrise in den darauf folgenden Jahren verhinderte jedoch die Erfüllung der von der Stadt Herne eingegangen Verpflichtungen.

Am 1. April 1927 sollte die „Vermählung“ des Amtes Sodingen mit der Stadt Herne Herne über die Bühne gehen. Daraus wurde nichts, denn die junge Stadt Castrop-Rauxel gab den Spielverderber und erhob Ansprüche auf Teile von Holthausen und Börnig. Streitpunkt war die Bergbausiedlung Teutoburgia. Die Zeche Teutoburgia nahm 1911 ihre Kohleförderung auf, der Betrieb wurde aber bereits 1925 wieder eingestellt. Im Jahr 1929 übernahm die in Castrop gelegene Zeche Erin das Grubenfeld und die Schächte und nutzte Teutoburgia fortan als Wetter- und Seilfahrtschacht. Dies erfordere die Eingemeindung, so die Argumentation von Castrop-Rauxel. Es folgten harte politische Auseinandersetzungen, die die Öffentlichkeit in Atem hielt.

Castrop-Rauxels Gebietsansprüche, Plan von 1927, Foto Stadtarchiv Herne

Nach einem Besuch des Gemeindeausschusses des preußischen Landtages am 11. Januar 1928, bei der die streitenden Parteien ihre Argumente für das jeweilige Eingemeindungsmodell vortrugen, wurde Herne das komplette Amt Sodingen zugesprochen. Lediglich kleine Gebietsbereinigungen waren vorzunehmen. Das für Herne erlösende Neugliederungsgesetz wurde am 22. März 1928 verkündet, die Stadt hatte den Kampf um das Amt Sodingen gewonnen. Die drei Gemeinden Sodingen, Holthausen und Börnig gingen am 1. April 1928, ein Jahr später als geplant, in die Stadt Herne ein. Die Eingemeindung bedeutete eine Gebietsvergrößerung von 984,4 Hektar und einen Zuwachs von 23.543 Einwohnerinnen und Einwohnern, sodass Herne mit 95.730 Menschen in Wurfweite einer Großstadtwerdung kam.

Durch die Verzögerungen in Sachen Eingemeindung konnte Max Wiethoff noch am 15. Oktober 1927 sein Silberjubiläum als Amtmann feiern. In der Stadt Herne übernahm er die Funktion des dritten besoldeten Beigeordneten des Magistrats, später dann wurde er ständiger Stellvertreter des Vorsitzenden des Versicherungsamtes. Am 1. Mai 1933 ging er in den Ruhestand.

Mit den Eingliederungen von Kray und Oestrich am 1. August 1929, die nochmals einen Gebietszuwachs von 145 Hektar und 1.114 Menschen brachten, fanden die Gebietsänderungen der alten Stadt Herne ein Ende.

Jürgen Hagen, Erstveröffentlichung des ursprünglichen Textes: „125 Jahre (Alt-)Herner Stadtwerdung“. Jürgen Hagen. In: „Der Emscherbrücher“ Band 19 (2023/24). Seiten 7 bis 36 . Herausgegeben von der Gesellschaft für Heimatkunde Wanne-Eickel e. V. Herne 2023.