„Auf den Bericht vom 16. September d. Js. will ich auf Grund des § 1 der Landgemeinde-Ordnung für die Provinz Westfalen vom 19. März 1856 im Landkreise Bochum im Regierungsbezirk Arnsberg belegenen Landgemeinde Herne die Städte-Ordnung hierdurch in Gnaden verleihen.
Neues Palais, den 20. September 1896.
Wilhelm
Rex“1
„Der im Landkreise Bochum belegenen Landgemeinde Herne ist durch Allerhöchsten Erlaß vom 20. September d. Js. auf Grund des § 1 der Landgemeinde-Ordnung für die Provinz Westfalen vom 19. März die Städte-Ordnung verliehen worden. Ich bringe dies mit dem Bemerken zur öffentlichen Kenntnis, daß die bisherige Landgemeinde Herne in Folge dessen aus dem Amtsverbande gleichen Namens ausscheidet, sowie daß die städtische Verfassung mit dem 1. April f. Js in Kraft tritt.
Arnsberg, den 9. Oktober 1896
Der Regierungs-Präsident
Winzer“2
Ob im Hause Hermann Schaefer eine Flasche Champagner geöffnet und laut gejubelt wurde, wissen wir nicht. Der Amtmann von Herne dürfte aber zumindest still seinen Erfolg gefeiert haben.
Hermann Schaefer zählt zu Hernes bedeutenden Persönlichkeiten. Geboren wurde er am 30. August 1848 in Ortenberg/Hessen. Der Sohn eines Richters entschied sich zunächst für eine Offizierslaufbahn, bevor er als Hauptmann a. D. in die Münsteraner Kommunalverwaltung wechselte und dann Amtmann von Ückendorf wurde. Früh verwitwet wechselte der 31jährige 1879 nach Herne.
Selbstbewusst, sachlich, pragmatisch, das waren die herausragenden Charaktereigenschaften von Hermann Schaefer. Gleichwohl war er als kaisertreuer Monarchist ganz dem preußischen, militaristischen Obrigkeitsstaat verhaftet. So ließ Schaefer bei Ausbruch der Bergarbeiterunruhen von 1899, die als „Herner Polenkrawalle“ in die Geschichte eingingen, kompromisslos auf protestierende Bergleute schießen.
Seinen Untergebenen gegenüber soll er zugleich jovial und autoritär aufgetreten sein. Verhandlungen mit gleichberechtigten Partnern führte er, Umwege gehend und kompromissbereit, geduldig. Zäh und ausdauernd verhielt er sich bei übergeordneten Stellen, wenn es darum ging, als notwendig erkannte Vorhaben durchzusetzen. So auch beim „Projekt“ Stadtwerdung von Herne.
Nach Schaefers Ansicht war Herne schon vor 1879 „stadtreif“ gewesen. Seine Argumente dafür waren der 1847 eröffnete Bahnhof der Köln-Mindener-Eisenbahn, der sich seit 1856 ausbreitende Kohlebergbau und die sich ansiedelnde eisenverarbeitende Industrie, die in erster Linie aus Maschinenbau- und Bergbauzulieferbetrieben bestand. Hinzu kam die durch die Industrialisierung stetig anwachsende Bevölkerungszahl.
Seiner Überzeugung folgend, setzte er alles daran, für Herne die Stadtrechte zu erlangen. Um dieses Ziel zu erreichen war es wichtig, die alteingesessene, durch die Landwirtschaft geprägte Bevölkerung und die aufstrebende Industrie, die von zugezogenen Investoren getragen wurde, zusammenzubringen. Leichter gesagt als getan, denn jede Seite war nach der Devise „hier Dorf, dort Industrie“ auf die eigenen Vorteile bedacht. Gleichzeitig gingen beide Seiten aus unterschiedlichen Motiven ein Bündnis gegen die angestrebte Stadtgründung ein, was Hermann Schaefer in seinen Erinnerungen als seltsam ansah, „daß damals einflußreiche Leute in Herne gegen die Einführung der Städte-Ordnung waren und sie immer hinauszuschieben wußten”.
Unbeirrt hielt er aber an seinem Weg fest, um letztendlich erfolgreich zu sein.
Jürgen Hagen, Erstveröffentlichung des ursprünglichen Textes: „125 Jahre (Alt-)Herner Stadtwerdung“. Jürgen Hagen. In: „Der Emscherbrücher“ Band 19 (2023/24). Seiten 7 bis 36 . Herausgegeben von der Gesellschaft für Heimatkunde Wanne-Eickel e. V. Herne 2023.