Corona-Gedenkort in Börnig

Am 06. Mai 2022 wurde auf Initiative eines Börniger Heimatforschers und des Sodinger Bezirksbürgermeisters in Börnig ein Gedenkort eingeweiht, der an die Corona-Pandemie, die Ende Januar 2020 ihren Lauf in Deutschland nahm, erinnert.

Geschaffen wurde ein Ensemble, bestehend aus einer Linde, einem etwa 1,5 Tonnen schweren Findling, der an die Verstorbenen der Corona-Pandemie erinnert und einer Informationstafel, für die sich der Heimatforscher verantwortlich zeichnete.

Während Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Corona-Pandemie in Deutschland Anfang April 2023 offiziell für beendet erklärte,1 war diese laut Informationstafel in Herne bereits ein Jahr zuvor Geschichte.

Kurz vor der Einweihung wurde die Linde, die durch Spenden von etwa 550 bis 600 Menschen finanziert wurde, von Unbekannten angesägt, Stein und Informationstafel beschmierten die Täter mit Farbe. Die Schmierereien konnten noch vor der Einweihung entfernt werden. Der Baum jedoch war nicht zu retten. Durch starken Wind wurde der Stamm gebrochen und abgeknickt. Da ein politischer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden konnte, wurden Polizei und Staatsschutz eingeschaltet. Bis heute war nicht zu ermitteln, wer für die Tat verantwortlich war.

Die niedergestreckte Corona-Linde, Foto Jürgen Hagen, 15.05.2022

Am 13. Dezember 2022 schließlich wurde ein Ersatzbaum – eine Winterlinde – gepflanzt. Die Firma Stiller, Garten- und Landschaftsbau GmbH aus Eickel, die auch die ursprüngliche Linde gepflanzt hatte, spendete den Baum. Im Bereich des Corona-Gedenkortes wurde vom Fachbereich Stadtgrün der Stadt Herne eine Langgraswiese angelegt. Die Corona-Linde ist mit heimischen Straucharten halbkreisförmig umpflanzt. Die freistehende Linde bildet das Zentrum des kleinen freien Platzes, der durch frühjahrsblühende und fruchtbildende Sträucher eingefasst ist. Der Fachbereich sorgt auch für die gärtnerische Pflege des Gedenkortes.

Gewagt ist die auf der Informationstafel hinterlegte Behauptung, es gäbe einen historischen Bezug zu der Pestepidemie 1636 und dem hieran erinnernden, in der Nähe liegenden Pest-Gedenkort mit Kreuz und Linde. So ist zweifelhaft, ob tatsächlich erst mit Errichtung des Pestkreuzes eine Linde gepflanzt wurde, wie häufig zu lesen ist. Der ehemalige Herner Stadtarchivar Manfred Hildebrandt verneinte das.2

Sicherlich wird im 21. Jahrhundert auch niemand allen Ernstes – wie es bei Pestausbrüchen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit häufig der Fall war – Corona als Strafe Gottes oder als Gottesprüfung deuten. Sonstige Parallelen zur Geschichte der Pestepidemie 1636 und des Pest-Gedenkortes, wie etwa zum damaligen Stiftungsgedanken, sind nicht zu erkennen.3

Lage des Corona-Gedenkortes in Börnig, bearbeiteter Kartenausschnitt, Fotoquelle Google Maps, 01.02.2023

Erster Corona-Gedenkort in Nordrhein-Westfalen?

Der Heimatforscher sah nicht nur – wegen der Nähe zum Börniger Pestkreuz und zur Pestlinde – eine „Einzigartigkeit“ des Börniger Corona-Gedenkortes, sondern erklärte, dass dieser der erste in Nordrhein-Westfalen sei. Zu einer seltsamen, den eigentlichen Intentionen nicht gerecht werdenden und unnötigen Deutungs-Hakelei kam es mit einer Essener Initiative, die einen Corona-Denkort projektiert und schließlich realisiert hat, der bundesweit der erste dieser Art ist. Der Denkort, der am 22. März 2024 – dem vierten Jahrestag des ersten pandemischen Lockdowns – eingeweiht wurde, ist laut der Essener Verantwortlichen kein Denkmal im üblichen Sinne. Es soll nicht gezeigt werden was war, sondern zeigen, was ist. Der Denkort soll einen aktuellen Bezug haben, da das Corona-Virus alle Menschen weiterhin begleiten wird. Bemerkenswert ist die mit Bedacht gewählte Lage des Denkortes im Schnittpunkt von St. Franziskus-Kirche, Bertha-Krupp-Seniorenheim, Kita St. Franziskus und der Albert Liebmann-Schule. Sind hier doch viele Bevölkerungsgruppen auf engem Raum vereint, die während der Pandemie besonders zu leiden hatten.4

Corona-Gedenkort mit neuer, am 13. Dezember 2022 gepflanzten Linde, Foto Jürgen Hagen, 11.01.2023

Hätte der Börniger Heimatforscher, dessen Initiative sicherlich anerkennenswert ist, über seinen eigenen Tellerrand geschaut, hätte er feststellen können, dass es mit Nottuln mindestens eine Gemeinde in Nordrhein-Westfalen gibt, die schon 2021 einen Corona-Erinnerungsort eingeweiht hat.5 Der Nottulner Erinnerungsort zeichnet sich durch seine zentrale Lage und die Einbindung der gesamten Einwohnerschaft von Jung bis Alt aus – ohne Wettbewerbsdenken und ohne Überhöhungen in Tonalität und moralischer Verfasstheit. Eine mithin würdevolle und zeitgemäße Erinnerungsstätte, die laut der Gemeinde Nottuln „zum Verweilen, zum Nachdenken und auch zum Trauern einlädt – zum Umgang mit dem oft schier Unbegreiflichen: einen Familienangehörigen, einen Freund, einen Nachbarn oder einen Bekannten an das Corona-Virus verloren zu haben. Dieser Ort soll an die Zeit erinnern, die alle Menschen eingeschränkt und verändert hat“.

Jürgen Hagen6

Auch interessant: Die Pest in Recklinghausen, Castrop- Rauxel sowie Herne und das Obercastroper Bokenbuch

Anmerkungen

  1. Corona-Maßnahmen laufen aus – So endet die Pandemie. Letzter Zugriff: 09.05.2023. ↩︎
  2. Manfred Hildebrandt: „…bey den spätesten Nachkommen in beständig gutem Andenken zu erhalten…“-Denkmäler in Herne und Wanne-Eickel, Der Emscherbrücher Band 14 (2008/09), Seiten 71 und 72, herausgegeben von der Gesellschaft für Heimatkunde Wanne-Eickel e. V., Herne 2008. Ebenso Walter Schott: ‚Die Pest in Castrop‘, In: Kultur und Heimat, Heimatblätter für Castrop-Rauxel und Umgebung. Herausgegeben vom Ortsverein Castrop-Rauxel des Westfälischen Heimatbundes, 50. Jahrgang, 1999, Seiten 133 und 134. Gleichfalls B. Stegmann-Sodingen: ‚Die Pest in unserer Heimat‘, In: Heimatblätter für Castrop und Umgebung. Monatsschrift des Vereins Heimatpflege. 5. Jahrgang, Nr. 8, August 1926, Seiten 123 und 124. ↩︎
  3. Eine hervorragend einordnende Abhandlung zum Thema hat Martin Dinges vorgelegt: Corona ist doch nicht die Pest!. Letzter Zugriff: 09.06.2023. ↩︎
  4. Einladung zur Einweihung des CORONA DENKORTS der Initiative ars LITURGICA in Essen, CORONA-DENKORT IN ESSEN EINGEWEIHT, Neuer Corona-Denkort in Essen. Letzte Zugriffe: 27.03.2024. ↩︎
  5. Die Erinnerung wachhalten und Erinnerung kann tröstend sein. Online-Ausgaben der Westfälischen Nachrichten vom 29.11.2021 und 13.12.2021. Letzte Zugriffe: 09.06.2023. ↩︎
  6. Quelle: Stadtarchiv Herne, Dokumentationsbibliothek, Denkmäler, Bürgerbaum „Corona-Linde“. ↩︎