City Center Herne

Vom Knüller zum Sorgenkind zum City Center 2.0

Am 28. Februar 1973 wurde das City Center an der Bahnhofstraße eröffnet. Damals galt es als Sensationsbau. In den 1990er Jahren begann der Niedergang.

„Einen solchen Ansturm hat Herne noch nicht erlebt“. So berichtete die WAZ über die pompöse Eröffnung des City Centers. Vor dem Kaufhaus drängten sich am 28. Februar 1973 seit dem Morgen hunderte, vielleicht tausende Menschen, es „herrschte ein beängstigendes Gedränge von Kauf- und Schaulustigen“, heißt es in der Herner Lokalausgabe.

City Center, Postkarte, 1973, Repro Stadtarchiv Herne

Dann gab es kein Halten mehr. Als die Pforten geöffnet wurden, stürmten die Menschen, unter Bonbon-Regen und Blumen-Salven, ihr neues Einkaufszentrum. Drinnen spielte die Kapelle des II. Queensregiments auf, und Hernes Popstar Jürgen Marcus gab, umringt von jungen Fans, Autogramme.

Atmosphäre eines Großbasars

Es waren die 1970er Jahre, und Herne war stolz auf sein 20 Millionen Mark teures City Center. Auf einer Grundfläche von 10.000 Quadratmetern öffneten auf zwei Etagen 37 Einzelhandelsgeschäfte von Küper Damen- und Herrenmode, Die Schallplatte und Kühnke-Zoo bis Siebert-Buchhandel, Kepa und Prenatal. Drüber: ein Wohnhaus. Als verbindendes Wahrzeichen entwickelten der Verwaltungsleiter Winfried Vorberg und der Werbeleiter Willi Jäkel, beide vom Heiland-Unternehmen, aus mehreren eingegangenen Vorschlägen das City Center-Emblem, welches man gut sichtbar an den Fronten des Einkaufszentrums anbrachte. Zum gesetzlichen Schutz meldete Heiland das Emblem am 17. November 1972 als Markenzeichen an.

Alle Schaufenster aneinandergereiht, würden von der Kreuzkirche bis fast zum Bahnhof reichen, hieß es. Was heute selbstverständlich ist, kam in Deutschland damals fast einer Sensation gleich: Alles war unter einem Dach, mitten in der Stadt gelegen und mit dem Personenkraftwagen erreichbar — Herne hatte sein „Drive-in-Kaufhaus“. Passend dazu stellte man das neue Einkaufserlebnis unter dem Motto „Hier soll der Kunde in erster Linie Mensch sein“.

Glockenspiel in der ersten Etage verschwunden

150 Tage im Jahr stehe das Barometer in der Bundesrepublik auf „Schlechtwetter“, hieß es zur Eröffnung im damals regelmäßig erscheinendem City Center Blatt, der Hauszeitung. Den Hernern könne das egal sein: „Sie wandeln überdacht auf Straßen im trockenen, dazu auf klimatisierten Straßen.“ Und: Beim Flanieren würden sie „an die berühmten Passagen vergangener Zeiten erinnert oder an die anregende Atmosphäre eines orientalischen Großbasars“.

Flyer mit Informationen zum Glockenspiel und zu den Straßenschildern im City Center, 1973, Repro Stadtarchiv Herne

Auch Oberbürgermeister Robert Brauner war angetan. Mit dem City Center sei „eine städtebauliche Domäne“ geschaffen worden, mit einer imposanten und variantenreichen Gestaltung, sagte er. Und würdigte, dass mit dem (heute verschwundenen) Glockenspiel in der ersten Etage des Mitteltrakts und dem Brunnen des Künstlers Günter Tollmann vor dem Gebäude auch die Kunst Berücksichtigung gefunden habe. Die eigenwillige Brunnenplastik, in den Ruhrnachrichten vom 06.02.1973 als ruhender Pol in Hernes City bezeichnet, sollte laut Tollmann die Funktion einer „Dorflinde“1 übernehmen und zu einem festen Treffpunkt für die Menschen werden. Die Passanten sollten ihren Spaß haben an dem Spiel von Wasser, Licht und Bewegung. 1989 wurde das Becken des Tollmann-Brunnens abgerissen, was in Künstlerkreisen empört als ein Eingriff in das Kunstwerk angesehen wurde. 2002 hieß es dann wieder: „Wasser Marsch“. Eine Spende der Wasserwerke machte es möglich.

Leise Zweifel auch schon damals

Auch die Ruhr-Nachrichten schwärmten: „Wir können stolz darauf sein, mit diesem City Center den Anschluss an die großen Städte gefunden zu haben“, schrieb ein Kommentator. Das „Einkaufsparadies der kurzen Wege“ sei „ein echter Knüller in Westdeutschland, kein Zweifel“.

Kein Zweifel? Auch die gab es damals schon, aber leise. Die Außenfassade sei langweilig und könne „nicht gerade begeistern“, hieß es in der WAZ. Auch vom „hässlichen Konsumbunker“ war die Rede. City Center-Investor Heinrich Heiland (geb. 16.05.1923, gest. 08.05.2020) konnte das nicht schrecken. Er lobte seine „Erlebniswelt“ und sah der „Volksabstimmung“ über sein Haus mit Freude entgegen. Zunächst sollte er recht behalten: Das „CC“, so nannte Heiland sein Einkaufszentrum, brummte, und im Rathaus sorgte sich die Stadtspitze um die Innenstadt-Geschäfte. Die Befürchtung: Die Herner gehen nur noch ins City Center, die Bahnhofstraße blutet aus.

Niedergang beginnt in den 1990ern

Es sollte anders kommen. In den 1990er Jahren beginnt der Niedergang des City Centers. Erste Geschäfte finden keinen Nachmieter, Besitzer des Gebäudes wechseln, sie kündigen Nachmieter und Investitionen an, die dann doch nicht kommen. „Wenn wir den 40. Geburtstag feiern, sind wir komplett vermietet“, so die hoffnungsvolle Ankündigung des City Center-Managements im Jahr 2010.

Doch noch zum 45. Geburtstag des einstigen Einkaufsparadieses stand es in weiten Teilen leer. Aus dem versprochenen Umbau zur „Mall“ wurde nichts. Hernes ehemaliger Baudezernent Jan Terhoeven sagte einmal, am besten wäre es, wenn man das Ding in die Luft jage.

City Center 2.0

Die Gelsenkirchener E-Gruppe wollte das nicht. Das Unternehmen, das die Immobilie 2017 übernahm, hatte andere Pläne. Ziel war ein „City Center 2.0“, gekennzeichnet durch Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Durch Umbaumaßnahmen wurde das City Center energetisch saniert. Gleichzeitig soll das „neue“ City Center ein Treffpunkt sein. Losgelöst von dem früheren „Mall“-Gedanken wurde nun gemischt: Einzelhändler, Stiftungen, zentrale Anlaufstellen der Stadt, Gesundheitsdienstleister und Bildungsstätten. Abgerundet wurde der Mix durch einen Eventbereich für unterschiedliche Veranstaltungen, zu finden in der ersten Etage.

Früher Standort von Amtsgericht und Bücherei

Bevor das City Center gebaut wurde, stand an der selben Stelle das alte Amtsgerichtsgebäude. Am 01. Oktober 1892 wurde es eröffnet, vier Amtsrichter sprachen zu Beginn dort Recht. Schnell aber wurde das Gebäude zu klein. Ein neuer Standort musste her. Dieser fand sich schließlich ganz in der Nähe des Herner Rathauses auf dem jetzigen Friedrich-Ebert-Platz.

Zwischen 1922 und 1930, bis die Polizei ins neue Polizeiamtsgebäude ebenfalls auf den heutigen Friedrich-Ebert-Platz umzog, war das ehemalige Amtsgerichtsgebäude Heimat der Ordnungshüter gewesen. Nachfolger wurde die städtische Bücherei. Am Eröffnungstag bildete sich eine Schlange von Lesern, die sich mit neuem Lesestoff versorgen wollte. Kurz darauf schlug auch das städtische Museum mit seinen Sammlungen dort seine Zelte auf.

Abriss im Zuge der Stadtsanierung

Im Juni 1936 musste zunächst die Bücherei, im Juli 1937 dann das nunmehr in Emschertal-Museum umbenannte städtische Museum das Gebäude räumen. Grund: Die SA-Standarte 457 Herne zog ein und machte das alte Amtsgericht zu einer örtliche Machtzentrale der Nazis.

Nach dem Zweiten Weltkrieg zogen das städtische Wirtschaftsamt und der britische Stadtkommandant ins einstige Amtsgerichtsgebäude ein; der Stadtkommandant hatte von 1945 bis 1951 dort seinen Sitz gehabt. Dann zog an der Bahnhofstraße 7c wieder die Bücherei ein. Die 1948 gegründete „Bücherei des deutschen Ostens“ — deren Bestände 1989 von der Martin-Opitz-Bibliothek übernommen wurden — kam hinzu. 19 Jahre später wurden wieder die Umzugskartons gepackt. Die WAZ vom 15. April 1969 klärte unter der Überschrift auf: „Das alte Amtsgericht unter der Spitzhacke – Stadtsanierung hinterlässt kräftige Spuren“. Anders gesagt: Im Rahmen der Stadtkernerneuerung musste das altehrwürdige alte Amtsgericht Platz machen für das City Center Herne.

Michael Muscheid, Jürgen Hagen

Auch interessant: Das alte Amtsgericht Herne

Quellen:

  • Stadtarchiv Herne, Dokumentationsbibliothek, Sammlungen ‚City Center‘ und ‚Amtsgericht Herne‘
  • Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) vom 27.02.2018
  • Wochenblatt Herne/Wanne-Eickel vom 25.02.2023

Anmerkung

  1. Eine gute Erklärung zu den früheren Dorflinden findet sich unter: Treffpunkt Dorflinde. Letzter Zugriff: 01.03.2023. ↩︎