1998 versuchte eine Initiative, das Hallenbad Herne und das Sommerbad vor der Schließung zu bewahren. Sie brachte sogar einen Bürgerentscheid auf den Weg – und scheiterte
Die Mondritterschaft in Wanne-Eickel um den Sänger Horst „Hotte“ Schröder will das ehemalige Hallenbad Eickel mit Hilfe eines Bürgerbegehrens vor dem Abriss retten und neu eröffnen. Was viele nicht mehr wissen: Es ist 20 Jahre her, da wollten Bürgerinnen und Bürger schon einmal ein Hallenbad retten: das Hallenbad Herne-Mitte. Und kurz darauf auch das Sommerbad-Freibad in Herne-Süd. Dafür brachten sie sogar einen Bürgerentscheid auf den Weg. Und scheiterten.
Aber der Reihe nach. Herne ist 1959, als das Hallenbad auf dem Gelände des ehemaligen Schützenplatzes eröffnet, stolz auf das neue Schwimmbad. Jahrzehntelang hat die Stadt dafür gekämpft. Mit der Eröffnung, so heißt es am 01. März 1959 in der Herner Zeitung, „endet eine Berg-und-Talfahrt der Hoffnungen und Enttäuschungen“.
Gemeint ist: Schon vor dem Ersten Weltkrieg wurde vergeblich eine „Badeanstalt“ gefordert, dann erneut in der Weimarer Republik und schließlich noch einmal nach dem Zweiten Weltkrieg. 1959 ist es dann endlich soweit, und das neue, rund 3,5 Millionen Mark teure Schwimmbad direkt zentral in der Innenstadt wird bestaunt und gelobt. Von seiner „architektonischen Klarheit“ schwärmt die Herner Zeitung, ebenso lobt sie die „vom gleißenden Tageslicht durchflutete Schwimmhalle“ und, man glaubt es kaum, das Wasser, „ungetrübt wie ein Gebirgsbach“. Kurz: „Das Baden wird zu einer hellen Freude werden.“
Robert Brauner (SPD), Oberbürgermeister von 1951 bis 1974, ist ebenfalls begeistert. „Unsere Stadt ist um eine bedeutsame soziale Einrichtung reicher“, schreibt er zur Eröffnung im Vorwort der Festschrift „Stadtbad Herne“. Das Hallenbad mit seinem 25 x 15-Meter-Becken sei „eine besondere Leistung“ und „ein wertvolles Geschenk“. Brauners Wunsch: Möge das Schwimmbad „der ganzen Bürgerschaft ein Gesundbrunnen werden“.
Initiative „Bürger für Bäder“ will Aus für Schwimmbäder verhindern
Nicht mal 20 Jahre später wird schon der Niedergang des Schwimmbads am heutigen Berliner Platz deutlich. Das liegt auch an der wachsenden Konkurrenz: Durch die Städteehe mit Wanne-Eickel hat die Stadt neben dem Hallenbad Herne-Mitte nun auch das in Eickel, im Revierpark Gysenberg wird zudem bald die Therme eröffnet, später kommt in Wanne-Eickel das Wananas hinzu. Für die Stadt bedeutet das: Überall muss sie zuschießen. Ende der 1980er-Jahre schlägt die Stadt Alarm, verweist auf die 3 Millionen Mark, die sie Jahr für Jahr in die Herner Bäder pumpen müsse, die Hälfte davon allein ins Hallenbad Herne-Mitte – „angesichts eines Zehn-Millionen-Lochs im Herner Haushalt nicht länger aufzufangen“, schreibt die WAZ. Dem Rat müsse deshalb „vorgestellt“ werden, „daß eine Schließung des Bades infrage kommt“, kündigt die zuständige Dezernentin an.
Die SPD als Mehrheitsfraktion begrüßt die Pläne. Die bisherige Bäderlandschaft, argumentiert Fraktionschef Horst Schiereck, sei zu teuer, und im geplanten Kombibad fände jeder Gast ein Angebot nach seinem Geschmack. „Das Angebot der Stadt beinhaltet sowohl Bäder, die auf reinen Schwimmbetrieb ausgestattet sind, als auch Spaß- und Gesundheitsbäder“, zitiert ihn die WAZ 1998. Die CDU ist gegen die Pläne. Das Kombibad in Herne-Süd werde ein Bad „in schlichtester Bauweise“, kritisiert Gerd Ucka, von 1987 bis 1989 stellvertretender und von 1989 bis 1996 Fraktionsvorsitzender der CDU im Rat. Außerdem hätten Schulsport und Vereine das Nachsehen: Die Wasserflächen würden von 3.900 auf 750 Quadratmeter reduziert: „ganz klar zu klein.“ Nicht zuletzt wirft Ucka der Stadt vor, das Hallenbad Herne-Mitte bewusst vergammeln zu lassen.
Die Fronten bleiben verhärtet, so kommt es Ende November 1998 zum Bürgerentscheid. Knapp 18.000 Menschen geben ihre Stimme ab und sprechen sich mit über 80 Prozent für den Erhalt und die Sanierung des Hallenbads Herne-Mitte und des Sommerbads in Herne-Süd aus. Zu wenig: 31.773 Stimmen wären für den Erhalt nötig gewesen. „Der Bürger hat eingesehen, daß unser Konzept richtig ist, da es das einzige auch bezahlbare ist“, kommentiert Oberbürgermeister Wolfgang Becker (SPD) gegenüber der WAZ. Entsprechend enttäuscht zeigt sich Jürgen Sommer von der Initiative „Bürger für Bäder“: „Die Bevölkerung“, stellt er nüchtern fest, „hat sich relativ desinteressiert gezeigt.“
Geschäftshaus und Kino sollen an der Stelle gebaut werden, Kombibad Südpool öffnet Anfang 2001
So kommt es wie geplant: Das Sommerbad wird 1999 dicht gemacht und abgerissen, Anfang 2001 öffnet an der selben Stelle das „Kombibad“ Südpool. Mit seiner Eröffnung wird nach 42-jähriger Geschichte auch die städtische Badeanstalt am Berliner Platz mit ihren knallig orangefarbenen Fliesen, den ewig beschlagenen Fenstern und den Umkleidekabinen ohne Riegel zu Grabe getragen. „Da wird man ein bisschen wehmütig“, bekennt Bademeister Bernd Höhner an seinem letzten Arbeitstag, bevor auch er ans Südpool wechselt.
2003 schließlich wird die Badeanstalt abgerissen, was verbleibt, ist das alte Kurmittelhaus, in das die Martin-Opitz-Bibliothek eingezogen ist. An der Stelle des Schwimmbads soll ein Geschäftshaus sowie ein Kino gebaut werden. Auf Letzteres warten Kinofans sehnlichst: Ende 1999 schloss die Lichtburg auf der Bahnhofstraße in Herne-Mitte, und weil das geplante XXL-Entertainment-Center am Regenkamp zur Bauruine wird, hat die Großstadt Herne seither kein Kino mehr. Aber das ist eine andere Geschichte.
Michael Muscheid1
Anmerkung
- Der Text wurde am 16.10.2021 in der Herner Lokalausgabe der WAZ erstveröffentlicht.)) ↩︎