Die neue Stadt Herne

Mitten in der zukunftsorientieren Stadtkernerneuerung brach über Herne unerwartetes Ungemach ein. Es drohte die „Ruckführung“ in den ehemaligen Landkreis Bochum, diesmal als Stadtteil, mutmaßlich als Bochum 7.

Was war der Auslöser dieses drohenden Szenarios? Wie in allen anderen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der Stadtstaaten setzte sich in den 1960er Jahren auch in Nordrhein-Westfalen der Gedanke durch, dass die überkommenen Gemeindestrukturen, die im Wesentlichen noch auf das 19. Jahrhundert zurückgingen und letztmals im Jahr 1929 eine größere Reform erfahren hatten, nicht mehr zeitgemäß waren und größere, „den Zielen der Raumordnung angepasste Strukturen“ geschaffen werden mussten. Es kam zu neuen Gebietsreformen.

Die kommunale Gebietsreform in Nordrhein-Westfalen wurde in zwei großen Phasen ab dem Jahr 1966 durchgeführt und fand ihren weitgehenden Abschluss am 1. Januar 1975, als die sechs letzten umfangreichen Gesetze zur Gebietsreform in den Ballungsräumen des Landes in Kraft traten. Die Ämter wurden als Institution vollständig abgeschafft und die Amtsordnung von 1953, die deren innere Organisation regelte, mit Wirkung vom 1. Januar 1975 aufgehoben.

Herne und Wanne-Eickel nach Bochum, Karte des Städte- und Kreismodells, Foto Stadtarchiv Herne

Das erste Neugliederungsprogramm fand in der Zeit von 1966 bis 1969 statt. In dieser Zeit wurden die Grenzen der Landgemeinden, beginnend mit dem Landkreis Siegen, neu gezogen. Das Ruhrgebiet war noch nicht betroffen. Das zweite Neugliederungsprogramm erfolgte in der Zeit von 1969 bis 1975. In der zweiten Phase der Reform wurden – teilweise gegen den erbitterten Widerstand der betroffenen Gemeinden und Kreise – vor allem in den Ballungsräumen die Gebiete neu geordnet. Nach einem Beginn in den peripheren Ballungsräumen Bonn, Aachen und Bielefeld fand diese Phase ihren Abschluss im Jahr 1974 in den übrigen Landesteilen, so auch im Ballungsraum Ruhrgebiet.1

Erbitterten Widerstand leisteten auch Herne und Wanne-Eickel. Der Bindestrich-Stadt drohte wie Herne eine Eingemeindung nach Bochum. In bisher unbekanntem Maße bildeten sich gegen diese Pläne Bürgerproteste. Durch diese Proteste getragen war es ein historisches Verdienst von Edwin Ostendorf, die Eingemeindungsabsichten von Bochum abzuwehren und die Städteehe von Herne und Wanne-Eickel zur neuen Stadt Herne auf den Weg zu bringen, die am 1. Januar 1975 – 100 Jahre nachdem sich das Amt Wanne bildete – Realität wurde.

Einfacher wurde es nicht. So kam es beispielsweise beim großen Vorzeigeunternehmen des Herner Strukturwandels, der Firma Blaupunkt, Mitte der 1980er Jahre zu Stellenstreichungen, Ende 1992 wurde das Herner Werk ganz geschlossen. Grund war die Verlagerung der Produktion in sogenannten Niedriglohnländer. Allein an den Standorten Hildesheim und Herne verloren etwa 1.100 Menschen ihre Arbeitsplätze. Als letzte Relikte der Bergbauindustrie verließen 1993 das Schraubenwerk Dorn und ein Jahr später die Firma Flottmann Herne.

Die im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Emscherpark entstandene Fortbildungsakademie des Landes NRW auf dem ehemaligen Zechengelände Mont Cenis, Dezember 2021, Foto Stadtarchiv Herne

Die Stadt stemmte und stemmt sich gegen die fortlaufenden Probleme des Strukturwandels, wie etwa mit der Ansiedlung von Industrie- und Gewerbegebieten auf Zechenbrachen, beispielhaft hierfür steht das Gewerbegebiet Friedrich der Große. Einen spürbaren Schub brachte die Internationale Bauausstellung Emscherpark, in deren Fahrwasser die Fortbildungsakademie Sodingen, der Kunstwald Teutoburgia und die neue Eickeler Mitte entstanden. Die Kultur hielt Einzug in ehemaligen Industriegebäuden, so in den ehemaligen Flottmann-Hallen, die mittlerweile in der Region einen guten Ruf als ein kulturelles Zentrum genießen. Gleiches gilt für die Künstlerzeche Unser Fritz 2/3.

Herne 2025: Urban – Digital – International. So lautet das neue Zukunftsbild der Stadt. Mit kreativen und innovativen Ideen sollen Hernes Potentiale bei der Stadtplanung ausgeschöpft werden, um den Herausforderungen der Globalisierung, der Digitalisierung und des Klimaumbaus zu begegnen.

Das Logo der Stadt Herne zum 125. Geburtstag, Foto Bildarchiv der Stadt Herne

Es ist zu wünschen, dass es Herne – trotz nach wie vor schlechter Finanzausstattung – gelingt, aus dem Zukunftsbild Realität werden zu lassen. Positive Entwicklungen im Stadtgebiet machen Hoffnung.

Jürgen Hagen, Erstveröffentlichung des ursprünglichen Textes: „125 Jahre (Alt-)Herner Stadtwerdung“. Jürgen Hagen. In: „Der Emscherbrücher“ Band 19 (2023/24). Seiten 7 bis 36 . Herausgegeben von der Gesellschaft für Heimatkunde Wanne-Eickel e. V. Herne 2023.

Anmerkung

  1. Zitiert aus Wikipedia: Gebietsreform in Nordrhein-Westfalen – Wikipedia. Letzter Zugriff: 02.09.2025. ↩︎