Bauerngehöft Pantring

1000 Jahre alter Hof verschwindet

Im Schatten der Zeche König Ludwig, dort wo im Südosten Recklinghausen an Herne und Castrop-Rauxel stößt, liegt seit 1000 Jahren der Hof Pantring. In den Urkundebüchern des Vestes nimmt er manche Seite ein.

Schon in der Zeit zwischen der Klostergründung Werden durch den ersten Bischof von Münster, dem heiligen Ludgerus, und der Gründung des Stiftes Essen, wird er erwähnt. Das ist jetzt 1000 Jahre her. Nachweislich waren die Vorfahren der Pantrings Bruckterer, ein Germanenstamm, der unter Hermann mit im „Teuto“ gegen die Römer focht. Sie nahmen durch die Sendboten Karls des Großen das Christentum an. Wie auch die anderen Höfe Sonntag, Heiermann, Stengel usw., die noch dort im weiten Feld liegen und den Anfang des Münsterlandes bilden.

Wo die Höfe liegen, gibt es nur Felder und Wälder und mehr als eine halbe Stunde Fußweg ist dort Herne und Castrop-Rauxel baulich von Recklinghausen getrennt.

Hof Pantring, Repro Gerd Biedermann

Jetzt kommt die Nachricht, daß die Zeche Friedrich der Große den Hof und das gesamte Gelände gekauft hat und in diesem Jahre dort 120 Wohnhäuser für 500 Familien errichten will. Damit sucht Herne den baulichen Anschluß an den südöstlichen Teil von Recklinghausen Süd. Die Bewohner der neuen Siedlung sind unmittelbar an das Geschäftszentrum im südöstlichen Recklinghausen angeschlossen, während sie nach Herne Horsthausen etwa 38 Minuten Weg haben. Zur Straßenbahn in Recklinghausen Süd sind es jedoch nur fünf Minuten.

1000 Jahre hat der Hof bestanden. Unser Reporter war in diesen grauen Nebeltagen auf dem Hof, dessen Tage nun gezählt sind, um die letzten Ereignisse für die Heimatchronik festzuhalten. Die letzten Jahrzehnte des Pantringhofes sind typisch für das Ende der vielen Höfe, die die Industrie schluckte und schlucken wird, je mehr der Ruhrbergbau ins Vest rückt und Recklinghausen Mittelpunkt des sich verschiebenden Ruhrgebietes wird.

Schon lange abgeschrieben

Erst beim Näherkommen entdeckt man, daß er schon lange abgeschrieben wurde und das 1000 Jahre alte Geschlecht Pantring erloschen ist. Westfälischer Bauernstolz, Tradition und Schönheitssinn erstarben hier nach 1000 Jahren. Die bauliche Besitzung ist ein Konglomerat, alles ist verbaut. Der älteste Teil datiert aus dem Jahre 1734, die Scheune aus 1808 und das Wohnhaus aus 1912. Altes Fachwerk, vermodert und verschmutzt und völlig farblos, klebt angstvoll an einem schwarzen Ziegelbau; stillos aus der kitschigen Bauperiode der Jahrhundertwende. Unter dem schwer gekrümmten Hausbalken, auf der Deele und in der Küche, steht kein Stück Möbel alter westfälischer Handwerkskunst mehr. Wo einst das trauliche Herdfeuer brannte, ist ein moderner, emaillierter Herd. Linoleum glänzt und ein Regulator tickt

Der Letzte seines Geschlechtes, Bauer Pantring, war noch ledig, als er 1934 im Alter von 65 Jahren nach Menzeln an den Niederrhein zog und dort eine Hofbesitzerin mit sechs Kindern heiratete. Nach fünf Jahren starb er. Ohne seinen hier verpachteten Hof wiedergesehen zu haben. Mit seinem Tode war das Hofgeschlecht ausgestorben.

Hof Pantring, Haupthaus aus dem Jahr 1734 links, Anbau jüngeren Datums rechts, Repro Gerd Biedermann

Bauer Berke aus Recklinghausen Süd pachtete den Hof. Er mußte wieder, wie auch alle seine Vorfahren, vestische Scholle unter dem Pflug haben. Jetzt ist der Hof verkauft. Was soll aus dem Bauern Berke werden? Sein Vertrag hat noch zwei Jahre Gültigkeit. So müssen noch, wenn in Kürze die Axt an die Balken des alten Hofes gesetzt wird, Juristen das BGB wälzen. Es ist so, daß ein 1000jähriger nicht sang- und klanglos verschwinden will.

Was der Hof erlebte

Im nächsten Jahre wird es in den alten Bäumen nicht mehr rauschen und die Einsamkeit unheimlich stimmen. Sie singen jetzt die letzten Melodien der reichen Hofgeschichte. An den Herdfeuem der Nachbarhöfe, bei den Alten im Bruch und in Pöppinghausen, erzählt man jetzt an den regenreichen und stürmischen Abenden, was der Hof erlebte. Schrecklich war es 1812/13, als die Kosaken bei der Befreiung Preußens auf dem Hofe einquartiert waren. Eine Neuauflage der Kosakenplünderung sitzt der Familie Berke noch in den Gliedern, als im Sommer 1945 40 Fremdarbeiter nachts den Hof plünderten, die Familien einsperrten und in den Stuben mit Maschinenpistolen und Revolvern ein Preisschießen um die Verteilung von sieben Uhren veranstalteten, die man von den Wänden, aus den Schränken und Taschen und von den Armen der gesamten Familie gestohlen hatte.

Hof Pantring, Ausschnitt aus der Übersichtskarte des Landkreises Bochum, 1888, Repro Gerd Biedermann

1920, als der Bürgerkrieg tobte, lag der Hof Pantring tagelang im Niemandsland der Rotarmisten und der Goslarer Jäger. Der Hof war Kompaniegefechtsstand der Roten. Die Familie Pantring saß im Keller und die 150 Morgen waren schon vom Vollzugskomitee enteignet und aufgeteilt. Aber nur vier Tage lang, dann zog die Reichswehr ein. Auf den Feldern Pantrings lagen vier Gefallene.

1934 gab es einen Oktobertag, den die Süder nicht vergessen werden. Zwei Windhosen zerstörten die halbe Gegend. Auf dem Hofe wurden 31 uralte Eichen, Buchen und Birnen entwurzelt. Die Dächer wurden restlos zerstört.

31 Bomben fielen im November 1944 und gaben dem Hof den letzten Knacks.

Der Text wurde von Gerd Biedermann entdeckt und für das digitale Geschichtsbuch aufbereitet.

Hinweis: Der Artikel stammt aus dem Jahr 1952 und ist im Kontext der Zeit, in der er geschrieben wurde, zu betrachten. Die damalige Rechtschreibung wurde unverändert übernommen.

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Quellen:

  • Stadtarchiv Herne, Dokumentationsbibliothek, Bestand Höfe und Kotten, Pantings Hof,  Recklinghäuser Zeitung vom 19.01.1952