Einzug der Reformation in das Gebiet von Wanne-Eickel

Wie für Alt-Herne gibt der evangelische Pfarrer und Historiker Johann Diederich von Steinen in seinem Werk „Westphälische Geschichte“ auch für das Wanne-Eickeler Gebiet Hinweise zum Einzug der Reformation. Hier traten die Gemeinden Eickel und Crange als Impulsgeber zur Verbreitung von Luthers Lehren hervor.

Johan Lütgendorff (Schreibweise nach von Steinen) wirkte – zunächst als Vikar – seit 1564 im Kirchspiel (Pfarrbezirk) Eickel. Lütgendorff arbeitete von 1569 an auf die Einführung der Reformation hin. Der formelle Übertritt der Gemeinde zum evangelischen Glauben war laut von Steinen 1577. Über den Anstoß zum Übertritt gibt es zwei Erklärungen.

Die alte Johanneskirche auf dem Eickeler Markt, Foto Stadtarchiv Herne
Die alte Johanneskirche auf dem Eickeler Markt, Foto Stadtarchiv Herne

Zum einen soll Johan Lütgendorff am Vorabend des Festes „Mariä Geburt“ bei einer Predigt die Lehren Luthers denen der römisch-katholischen Kirche gegenübergestellt haben. Dies führte in der Gemeinde zu Diskussionen und Beratschlagungen. Man habe auf eine sofortige Entscheidung gedrängt. Entweder „weg mit der alten Lehre“ oder „weg mit dem neuen Pastor“.

Zum anderen soll Lütgendorff am Fronleichnamstag mit der Gemeinde zur feierlichen Prozession aus der Kirche gezogen sein, aber auf der Wegstrecke, noch bevor er zu einer Station gekommen war, die Hostie weggeworfen haben. „Ich glaube nicht mehr an die alte Lehre, ich trete von derselben hiermit ab, es möge mir folgen, wer da wolle“, soll er gesagt haben. Daraufhin sei ihm die Gemeinde, abgesehen von einigen Ausnahmen, gefolgt.

Ab 1577 teilte Johan Lütgendorff das Abendmahl aus und gebrauchte den Katechismus Martin Luthers. Zu der Zeit war er bereits verheiratet. Er wirkte noch bis 1613 als Pfarrer, danach übernahm sein Schwiegersohn Theodor Kleine das Amt. Johan Lütgendorff starb 1619, er fand in Eickel seine letzte Ruhestätte.

Die neue Johanneskirche mit ursprünglichen Turm im 350. Jubiläumsjahr der Reformation, 1927, Foto Stadtarchiv Herne
Die neue Johanneskirche mit ursprünglichen Turm im 350. Jubiläumsjahr der Reformation, 1927, Foto Stadtarchiv Herne

Lütgendorff predigte in der alten Johanneskirche am Eickeler Markt. Diese spätromanische Dorfkirche wurde vermutlich im 14. Jahrhundert als erstes Eickeler Gotteshaus – gewidmet Johannes dem Täufer – errichtet. Die Kirche wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgebaut. Im Inneren befand sich das Grabdenkmal des Freiherrn Conrad von Strünkede zu Dorneburg. 1890/91 erfolgte der Abbruch, zum einen war die Kirche aufgrund steigender Gemeindegliederzahlen zu klein geworden, zum anderen gab es erhebliche bauliche Mängel. Das Presbyterium beschloss bereits 1887 den Bau einer neuen Kirche. Die neue Johanneskirche, die auf der Richard-Wagner-Straße (früher Bismarckstraße) steht, wurde im Dezember 1896 eingeweiht. Das Grabdenkmal des Conrad von Strünkede zu Dorneburg wurde für 1.000 Mark an das Märkische Museum in Witten verkauft.

Alt-Crange mit Dorfkirche im Vordergrund, am Bildrand links sieht man eine Wand des Hauses Crange. Nach einem Holzschnitt von Heinrich Evers, Foto Stadtarchiv Herne
Alt-Crange mit Dorfkirche im Vordergrund, am Bildrand links sieht man eine Wand des Hauses Crange. Nach einem Holzschnitt von Heinrich Evers, Foto Stadtarchiv Herne

Johan Lütgendorff wurde durch den Cranger Pastor Johan Rothopff (Schreibweise nach von Steinen) ermutigt. So berichtet von Steinen, Johan Lütgendorff, Pfarrer in Eickel, habe unter dem „Beystand Johan Rothopffs, Pastor zu Crange, den Katechismus Lutheri gelehret“. Aus dieser Tatsache schließt die Kirchengemeinde Crange, dass die Bewohner von Crange spätestens 1577 das evangelische Bekenntnis angenommen haben.

Doch schon 1530 hatte Gert von Eickel, der auf Haus Crange wohnte, den neuen Glauben angenommen. Angeregt wurde er durch seinen Verwandten Dietrich von Altenbochum, der ein Tischgenosse von Martin Luther war.

Dementgegen wurde die Cranger Gutsherrenschaft im Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) wieder katholisch. Die „hörigen“ Dorfbewohner hielten aber am evangelischen Glauben fest.

Johan Rothopff predigte im Vorgängergotteshaus der jetzigen Cranger Kirche, nämlich der St.-Laurentius-Kapelle, die von Derick van Eykel gestiftet worden sein soll und 1484 erstmalig urkundlich erwähnt wird. Wann und von wem die Kapelle letztendlich fertiggestellt und geweiht wurde, ist jedoch nicht belegt. Ein Kirchenpatron ist in der ersten urkundlichen Erwähnung nicht überliefert. Erst 1521 wird urkundlich „…sunte Anthonio…Kercken them Krange…“ erwähnt, 1526 die Kapelle St. Antonii zu Crange. Kirchweihe wäre demnach an einem 17. Januar gewesen. Der Kirchenpatron Laurentius erschien erstmalig im 15. oder 16. Jahrhundert auf der Rückseite eines hinzugekommenen Triptychons – neben St. Antonius. Im Kirchenrecht heißt es: „Jede Kirche muss ihren Titel (titulus) haben, der nach vollzogener Weihe nicht geändert werden kann.“ Das Patrozinium einer Kirche ist somit endgültig. Jedoch konnte im Laufe der Zeit das Patrozinium durch einen Compatron oder Patronus secundarius verdrängt werden. Patrozinienwechsel kamen im Laufe der Jahrhunderte häufiger vor, wenn die Kirche zum Beispiel Reliquien eines bedeutenderen Heiligen oder etwa einen Splitter vom Heiligen Kreuz erhielt oder ein anderer Heiliger dem Zeitgeist mehr zu entsprechen schien. Oft wurde dann der zweite Patron Hauptpatron.1

1832 erlitten Turm und Dach der Kirche Schäden durch einen Sturm. 1847 wurde der Turm, 1873 der Kirchbau abgerissen. Bereits 1854 wurde die Kirche durch einen Neubau, der jetzigen Cranger Kirche, ersetzt. Das Platzangebot erweiterte die Kirchengemeinde durch die Errichtung einer Empore 1898 mit 100 Plätzen und einen Anbau 1936. Die Vergrößerung der Kirche war notwendig, weil durch den Bergbau viele Menschen in Crange sesshaft wurden.

Die alte Johanneskirche auf dem Eickeler Markt, Foto Stadtarchiv Herne
Cranger Kirche und Kirchhof, undatiert, Foto Stadtarchiv Herne

Wie in Alt-Herne konnte die katholische Kirche mit der Industrialisierung und dem Zuzug von Katholiken aus den Ostgebieten auf Wanne-Eickeler Gebiet wieder an Einfluss gewinnen.

Jürgen Hagen

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Quellen:

Stadtarchiv Herne:

  • Dokumentationsbibliothek, Sammlungen Kirchen, Johannes- und Cranger Kirche; Stadtteile, Crange; Adelssitze Wanne-Eickel, Haus Crange
  • Archivbibliothek, Ausstellungsdokumentation „Es war einmal… Crange gestern und heute“, 2010

Anmerkung

  1. Alois Schröer: Patron, Patronin, Patrozinium. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 7. Herder, Freiburg im Breisgau 1998, Sp. 1478 ff. ↩︎