Bei der Stadtwerdung von Herne führte der „Verlust“ der fünf Gemeinden, die das Amt Wanne bildeten und später zur Stadt Wanne-Eickel werden sollten, zu Irritationen, sahen doch auch die Bickerner, Cranger, Eickeler, Holsterhausener und Röhlinghausener die französische Gebietseinteilung als richtig an, wie die Westfälische Rundschau vom 28. Januar 1955 zu berichten wusste. Die „Westorientierung“ der Stadt Herne machte Hermann Schaefer im Jahr 1922 deutlich: „Wenn ich als jetzt Unbeteiligter und aus der Ferne die Verhältnisse, wie sie geworden sind, überschaue, so will es mich bedünken, daß bei einer etwaigen Aufteilung des Landkreises Gelsenkirchen die Eingemeindung mindestens des östlich der Dorstener Straße belegenen Teils von Holsterhausen nach Herne in beiderseitigem Interesse liegt. Es handelt sich hier um eine Wiedervereinigung zusammengehöriger und noch nicht lange getrennter Gemeinden. Daß bezüglich einer Wiedervereinigung von Wanne und Eickel mit Herne in irgend einer Form jüngst geschwebt haben, ersah ich aus den Zeitungen. Ich meine, man sollte allerseits, unter Hintansetzung zu überwindender Bedenken, zur Vereinigung schreiten.“ Es dauerte bis 1975, 100 Jahre nach dem das Amt Wanne gebildet wurde, bis Schaefers erhoffte „Wiedervereinigung“ von Herne und Wanne-Eickel wahr werden sollte.


Nach Stadtwerdung verblieb Herne zunächst im Landkreis Bochum. Der Sitz des „Restamtes“ Herne wurde in die Gemeinde Baukau verlegt und in Amt Baukau umgetauft. Neben Baukau gehörten zu dem neuen Amt die Gemeinden Horsthausen, Pöppinghausen, Bladenhorst und Hiltrop.

Die neugeborene Stadt zählte über 21.900 Einwohnerinnen und Einwohner, die auf einer Grundfläche von etwa 800 Hektar lebten. Am 15. Februar 1897 fand die erste Stadtverordnetenversammlung statt, die aus 30 Mitgliedern bestand. Im Auftrag des Regierungspräsidenten Wilhelm Winzer leitete Amtmann Hermann Schaefer die Versammlung. In dieser Sitzung wurde Hermann Schaefer zum Bürgermeister und der Magistrat (vergleichbar mit dem heutigen Verwaltungsvorstand der Stadt Herne) gewählt. Neben dem Bürgermeister Schaefer gehörten dem Gremium ein Beigeordneter sowie drei Schöffen (Stadträte) an, nämlich die ehemaligen Gemeindevertreter Gutsbesitzer Friedrich Cremer (als unbesoldeter Beigeordneter) sowie Direktor Friedrich Papentin und Kaufmann Wilhelm Schlenkhoff. Hinzu kam der Bauunternehmer Heinrich Dickhoff.
Im Stadtverordnetensaal der ab 1896 als provisorisches Rathaus umfunktionierten Schule an der Mont-Cenis-Straße, Ecke Schulstraße und mit einem Festessen im Saal des Hotels Schlenkhoff wurden der Bürgermeister und die übrigen Magistratsmitglieder am 24. April 1897 durch den Regierungspräsidenten Winzer feierlich eingeführt. Die örtliche Presse berichtete, dass Hernes Bürgerinnen und Bürger ihre Häuser beflaggt hatten und ein Patriot auf die Melodie „Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben“ eine Festhymne dichtete. Die erschienenen Gaste hörten „ein Dutzend Festreden und der dreifachen Anzahl von Hochs und vaterländischen Liedern“. Man war sich einig, dass „wohl noch niemals Herne eine animiertere Gesellschaft gesehen habe“.
Der Übergang zur Stadt geschah nach zeitgenössischen Schriften ohne Schwierigkeiten, berichtete die Ruhrnachrichten vom 31. März 1967. Weiter lesen wir dort: „Die neue Stadt nahm tatkräftig ihr Schicksal selbst in die Hand. Die Entwicklung von Industrie, Bergbau und Handel begünstigten das weitere Wachsen.“ Dieses Wachstum wiederum war so rasant, dass Herne sich bald kreisfreie Stadt nennen durfte.
Jürgen Hagen, Erstveröffentlichung des ursprünglichen Textes: „125 Jahre (Alt-)Herner Stadtwerdung“. Jürgen Hagen. In: „Der Emscherbrücher“ Band 19 (2023/24). Seiten 7 bis 36 . Herausgegeben von der Gesellschaft für Heimatkunde Wanne-Eickel e. V. Herne 2023.