Das „Geheimnis“ der Koopshofbrücke

(K)ein Schildbürgerstreich?

Im Rahmen der Ahnenforschung in meiner Baukauer Familie Biesewinkel stieß ich im Stadtarchiv auf eine Bildersammlung aus Alt-Baukau. Sie stammte von dem früheren Leiter des Jugendheims im dortigen Stadtteil, Robert Grabski, der der Stadt Herne unter anderem den Bildband „Herne in alten Ansichten“ widmete. Robert Grabski wollte mit den Fotos dokumentieren, wie sich der Stadtteil am Ende der 1950-er Jahre vor dem nächsten massiven Eingriff in Natur und Landschaft darstellte. Die letzten Reste bäuerlicher Strukturen würden dann immer vorbei sein.

Infolge der immensen Auswirkungen der industriellen Umwälzungen hier im Kern des Ruhrgebietes durch den Bau der Zechen Von der Heydt und Julia in Baukau sowie Hochlarmark und Recklinghausen im nördlichen Bereich hatte sich der bäuerliche Landschaftsbereich bereits sehr stark verändert. Der Zuzug von Menschen bedingte wegen der benötigten Arbeitskräfte für den Bergbau und seiner Zulieferbetriebe ebenso Planungen für ihre Unterbringung wie auch den dringenden Bedarf an Schulen, Kirchen, Straßen u. a.

Die inzwischen fortgeschrittene Industrialisierung führte dann auch dazu, alle Verkehrswege zu überdenken und auszubauen oder eventuell auch auch zurückzubauen. Der neue STEAG-Konzern weitete sich überdies immer mehr aus und beanspruchte riesige Flächen. Die Idyllen des ehemaligen Hasselwäldchens und des Emscherbruchs waren längst entschwunden.

Als nächste Maßnahmen sahen Pläne vor, nun auch (endlich!) 2 Autobahnen mit einem gewaltigen Kreuz zu errichten. Damit sollte der Bereich Herne-Wanne-Eickel auch überörtlich an das Fernstraßennetz angeschlossen werden und Herne später (nicht nur in Staumeldungen) bekannter machen.

Bei meinen Recherchen im Stadtarchiv stieß ich dabei auch auf die Ansicht einer kleinen Kanalbrücke mit STEAG-Hintergrund. Auf der Rückseite fand ich die folgenden Erläuterungen dazu: „Koopshofbrücke (ohne Fortsetzung) 13.12.1959 montiert (Schildbürgerstreich) – freigegeben 1960 für den öffentlichen Verkehr“.

Die Koopshofbrücke in Baukau, Foto Robert Grabski

Schon seit Kindertagen bin ich am Leben in unserer Stadt interessiert gewesen und studierte deshalb viele Pressemitteilungen. Von einem Schildbürgerstreich hatte ich jedoch keinerlei Kunde! So etwas in Herne? Ich konnte es kaum glauben und war einerseits ob solcher Fehlentwicklungen „fassungslos“, aber auch neugierig. Was hatte denn wirklich dahinter gesteckt? Eines war natürlich klar: Wie auch immer eine solche Entwicklung sich abgespielt haben sollte, die örtliche Presse musste darüber berichtet haben.

Ich nahm mir zunächst im Stadtarchiv die großen Bücher mit den Jahrgangsausgaben der WAZ ab 1959 vor und studierte sie. Begleitend zu den Berichten über den Umbau der Kanalbrücke Hertener Straße (u. a. Erhöhung!) spielten in der Geschichte auch die Fortschritte beim Kraftwerksbau eine entscheidende Rolle, ebenso auf der anderen Kanalseite die Stilllegung der Zeche Hochlarmark.

Wie ich jedoch erst später erkannte, war bereits beim Bau des Rhein-Herne-Kanals schon um 1912 im dortigen Bereich eine Brücke für Fußgänger errichtet worden. Sie diente auch der Erreichbarkeit des neuen Baukauer Friedhofs, so wurde mir von Alteingesessenen berichtet. Der Überbau dieser Brücke ist durch Kriegseinwirkung 1945 zerstört worden. Die Pläne für einen Wiederaufbau zogen sich jedoch begreiflicherweise hin.

Wie schon vermutet, konnte die Presse in der folgenden Zeit über keine öffentliche Inbetriebnahme der Koopshofbrücke berichten, auch nicht in den Jahren 1960 und 1961. Fußgänger konnten allerdings den Übergang benutzen, wenn auch mit schlechter Zuwegung.

Inzwischen war aber auch der Ausbau der Brücke an der Hertener Straße abgeschlossen. Über sie sollte später gemeinsam mit der Brücke an der Bahnhofstraße die Kanalüberquerung mit dem gesamten Verkehr abgewickelt werden.

Die Koopshofbrücke wurde dadurch schlicht und einfach nicht mehr gebraucht. Ihr „Abriss“ fand jedoch – wie üblich – erst viel später statt, wohl in den 1980er-Jahren nach längerem Planverfahren.

Mein Fazit:

Ein Schildbürgerstreich ist der gutgemeinte Wiederaufbau dieser Fußgängerbrücke über den Kanal nicht gewesen, die Entwicklung ist schlicht und einfach „über sie hinweggerollt“!

Christel Mannke, Juli 20171

Anmerkung

  1. Der Aufsatz findet sich in der Dokumentationsbibliothek des Stadtarchivs Herne, Sammlung Baukau. ↩︎