Das Ehepaar Julie und Louis Frank kam 1910 nach Sodingen, um sich im aufstrebenden Amt Sodingen eine Zukunft aufzubauen. Sie eröffneten auf der Mont-Cenis-Straße ein Kaufhaus für Textilwaren, das bald als „größtes Geschäft am Platz“ bekannt wurde. Am 01. April 1933 mussten die Franks erleben, wie sich SA-Männer vor ihrem Geschäft positionierten und zum Boykott aufriefen. Unter dem Druck des Nationalsozialismus brach die Familie auseinander.
Der älteste Sohn Kurt durfte sein Studium nicht fortsetzen und wanderte 1934 nach Palästina aus. Nach der Pogromnacht im November 1938 floh der jüngste Sohn Werner mit einem Kindertransport nach England. Auch Julie und Louis Frank und ihre Tochter Ruth hofften, noch aus Deutschland fliehen zu können, was ihnen aber nicht mehr gelang. Im November 1941 wurden sie von der Stadtverwaltung in das Judenhaus in der Bahnhofstraße 59 eingewiesen. Im letzten Brief an den Sohn Kurt heißt es: „Uns hat man nach Herne gebracht. Wer weiß, was werden wird. Wir denken immer an euch.“
Ruth Frank wurde am 27. Januar 1942 nach Riga deportiert und starb 1944 im KZ Stutthof. Julie und Louis Frank wurden am 30. Juli 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Julie starb dort am 21. August 1942, Louis wurde am 23. September 1942 im Vernichtungslager Treblinka ermordet.
1947 besuchte Werner Frank als US-Soldat das Haus an der Mont-Cenis-Straße: „Ich stand am Denkmal und sah auf die Fenster unseres Wohnzimmers und des Schlafzimmers unserer Eltern. Und plötzlich sah ich unsere Mutter und unseren Vater und an dem anderen Fenster Ruth. Es schien mir, als ob sie mir zuwinkten. Ich wurde wie Stein. Der Schweiß stand mir auf der Stirn. Ich wusste nur eines, dass ich weg musste und nie mehr zurückkommen würde.“1|2
Jürgen Hagen
Anmerkungen
- Gedenktafel des Projekts „Nahtstellen, fühlbar, hier…“, abrufbar unter Stadt Herne – Nahtstellen (Letzter Zugriff: 13.10.2021). Die Gedenktafel wurde von Schülerinnen und Schülern der Mont-Cenis-Gesamtschule gestaltet. ↩︎
- Stadtarchiv Herne. Bestand Jüdisches Leben in Herne und Wanne-Eickel. Jüdische Geschäfte: Kaufhaus Louis Frank. ↩︎