Als frisch pensionierter Oberbürgermeister konnte Hermann Schaefer verfolgen, wie die Stadt Herne mit Baukau und Horsthausen im zweiten Anlauf Eingemeindungsverhandlungen aufnahm und am 1. April 1908 beide Landgemeinden in die Stadt Herne eingliederte.


Komplikationslos liefen die Eingemeindungen aber nicht ab. Schon gar nicht einvernehmlich. Amtmann Karl la Roche, so wird berichtet, soll – im Gegensatz zu vielen „einfachen“ Baukauer und Horsthausener Bürgern und den Verwaltungsbeamten entschiedener Gegner einer Eingemeindung gewesen sein. Eine bereits für 1905 geplante Eingemeindung soll er zu verhindern gewusst haben. Die Herner Zeitung vom 22. Dezember 1905 schrieb hierzu, dass die Gemeindevertretung von Baukau einstimmig beschloss, die (Eingemeindungs-)Angelegenheit vorerst nicht weiter zu verfolgen. Die Horsthausener Gemeindevertreter reagierten überhaupt nicht mehr auf Hernes Eingemeindungswünsche. Eingedenk dieser offensichtlichen Unstimmigkeiten teilte der Minister des Innern mit Schreiben vom 1. Mai 1906 dem Regierungspräsidenten zu Arnsberg mit, dass „die Königliche Staatsregierung voraussichtlich in absehbarer Zeit nicht geneigt sein würde, sich auf die Durchführung der Eingemeindung einzulassen, wenn kurz vor dem Ausscheiden der Stadt aus dem Landkreise die Eingemeindungsverhandlungen an persönliche Streitigkeiten zwischen den Beteiligten gescheitert sind“.


Hermann Schaefer erklärte in seinen Erinnerungen: „Die Frage, ob man ohne Baukau und Horsthausen die Städte-Ordnung einführen sollte, mußte bejaht werden. Der Schönheitsfehler, der in der Bildung eines Amtsbezirkes Baukau liegen würde, konnte um so mehr in den Kauf genommen werden, als ja mit Sicherheit vorauszusehen war, daß in nicht ferner Zeit die Verhältnisse sich stärker erweisen würden wie bei Personen.“
So sollte es dann auch kommen. Die 1907 wieder aufgenommenen Verhandlungen zwischen Herne, Baukau und Horsthausen liefen wunschgemäß, sodass der Herner Anzeiger in seiner ersten Ausgabe des Jahres 1908 berichtete, dass die Verhandlungen mit den beiden Orten Baukau und Horsthausen zwecks Eingemeindung in den Stadtkreis Herne einen guten Fortgang genommen haben und nur noch über einzelne Punkte wie etwa die Höhe der Abfindung für Karl la Roche zu verhandeln war. Diese wurde in der Stadtverordnetenversammlung vom 16. Januar 1908 auf 150.000 Mark festgesetzt. In gleicher Sitzung wurden die ausgehandelten Eingemeindungsverträge mit den Gemeinden Baukau und Horsthausen, dem Amt Baukau und dem Landkreis Bochum angenommen. Diesen Entscheidungen vorgeschaltet waren entsprechende Beschüsse des Herner Magistrats vom 13. Januar 1908.
Alles war bereit, die Genehmigung der preußischen Regierung einzuholen. Doch zunächst waren neu aufgekommene Widerstände zu überwinden. Ähnlich wie in Herne unterstützte die Industrie, die einen schwindenden Einfluss in beiden Gemeinden befürchtete, Proteste aus der Bürgerschaft gegen die geplanten Eingemeindungen. In Sachen Wirtschaftskraft war das Amt Baukau mit den Zechen Julia und Von-der-Heydt in Baukau sowie Friedrich der Große in Horsthausen, dazu das Schraubenwerk Dorn und der Förderwagenproduzent Halstrick, auf Augenhöhe mit der Stadt Herne.


Die Widerstände kamen hauptsächlich aus der Gemeinde Baukau. Protestschreiben wurden auf der einen Seite von der Harpener Bergbau AG verfasst, auf der anderen Seite von einflussreichen Baukauern, die „von einer großen Zahl“ von Baukauer Bürgern beauftragt worden seien, den Landrat des Kreises Bochum als Aufsichtsbehörde der Gemeindevorsteher und des Amtmannes einzuschalten. Unterzeichnet wurde das Bürgerschreiben von dem Gemeindevertreter Josef Halstrick sowie den Herren Heinrich Hülsmann, Heinrich Drögenkamp und Hermann Ritterswürden. In diesem Schreiben wurde Amtmann Karl la Roche unterstellt, dass er – hinsichtlich der Abfindungssumme von 150.000 Mark – bei der Vertragsgestaltung im persönlichen Interesse gehandelt habe. Die Harpener Bergbau AG wiederum erklärte, die Gemeindevertretung hatte den Eingemeindungsvertrag in der vorliegenden Form nur deshalb abgeschlossen, um gegen die Aktiengesellschaft zu opponieren.
Die Kernforderungen in den Protestschreiben waren:
- Höhere Selbstständigkeit,
- Einrichtung eines eigenen Wahlbezirkes,
- Wirtschaftliche Ausgleichszahlungen wegen Verlustes der Steuerkraft,
- Ausgleichszahlungen an die beiden Baukauer Kirchengemeinden.
Nach mühevollen Verhandlungen konnten für alle Seiten tragfähige Kompromisse gefunden werden. Am 13. April 1908 schließlich gab Wilhelm II, König von Preußen auf Achilleion, Korfu, folgenden Paragraf:
„Die Landgemeinden Baukau und Horsthausen werden vom 1. April 1908 ab, unter Abtrennung von dem Landkreise Bochum, der Stadtgemeinde und dem Stadtkreise Herne […] einverleibt.“
Das ursprüngliche Stadtgebiet von etwa 800 Hektar hatte sich mehr als verdoppelt, die statistische Personenstandsaufnahme zählte 57.103 Einwohnerinnen (46,7%) und Einwohner (53,3%).

Die erste „Groß-Herner“ Stadtverordnetenversammlung fand am 24. April 1908 statt. Baukau schickte die Herren Beckmann, Halstrick, Haarmann, Kette, Kocks, Koop, Laukamp, Sassenhoff, Sehrbruch und Schütz, Horsthausen die Herren Dehnke, Klümper, Neuhaus, Schmidt und Sudkamp in den Herner Stadtrat.
Die Rolle von Amtmann Karl la Roche bei den Verhandlungen ist bis heute unklar. War er tatsächlich der entschiedene Gegner einer Eingemeindung oder sah er aus pragmatischen, vielleicht auch aus persönlichen Gründen, die Notwendigkeit eines Zusammenschlusses mit der Stadt Herne als notwendig an?
Karl la Roche stand noch bis zum 31. März 1925 in Diensten der Stadt Herne, zum Schluss als Steuerdirektor.
Jürgen Hagen, Erstveröffentlichung des ursprünglichen Textes: „125 Jahre (Alt-)Herner Stadtwerdung“. Jürgen Hagen. In: „Der Emscherbrücher“ Band 19 (2023/24). Seiten 7 bis 36 . Herausgegeben von der Gesellschaft für Heimatkunde Wanne-Eickel e. V. Herne 2023.


