Der Kohlebergbau

Den guten Anschluss an die Köln-Mindener-Eisenbahn nutzte auch die Zeche Shamrock, die auf Herner Gebiet als erster Bergbaubetrieb Kohle förderte. Der Kohlebergbau in Herne begann. Die Herner Bergbauära läutete der ehemalige Landvermesser William Thomas Mulvany ein. Der Ire galt als ein Mann von „außergewöhnlichen Fleiß und großer Schaffenskraft“. In Irland machte er Karriere als Kommissar der Entwässerung und Inspektor der Fischerei.

Hof Sengenhoff und Shamrock, Dorf trifft Industrie, Foto Stadtarchiv Herne
Landwirtschaft trifft Industrie, Hof Sengenhoff und Zeche Shamrock, Foto Stadtarchiv Herne

1854 untersuchte er auf Veranlassung seines in Brüssel lebenden Freundes Michael Corr van der Maeren die Kohlevorkommen im Raum Gelsenkirchen und Herne. Mulvany siedelte ein Jahr später mit seiner Familie nach Düsseldorf um. 1856 begann man unter seiner Leitung mit dem Bau der Zeche Hibernia in Gelsenkirchen, 1857 auf den Äckern des Bauern Sengenhoff mit der Teufe des ersten Schachtes der Zeche Shamrock in Herne. Hierbei führte er anstelle der Ziegelsteinmauerung die eisernen Schachtringe – die sogenannten Tübbings – in den deutschen Bergbau ein, was die Arbeiten außerordentlich beschleunigte. In der Dorfbevölkerung musste er Ängste abbauen. Die in der Landwirtschaft arbeitenden Menschen fürchteten um ihre Ernten und ihre Erträge. „Das Grubenwasser wird die Wiesen und Weiden in eine schlammigen Erdbrühe verwandeln. Wenn nicht gar das ganze Land versumpft. Und außerdem: Ersticken sie nicht bereits, die Bauern in Bochum und Steele, zwischen schmutzigen Kohlenstaub und Coakesöfengestank?“ So eine zeitgenössische Überlieferung, vermengt mit einer ordentlichen Prise „alternativen Fakten“.

Die Befürchtungen konnten zerstreut werden und im April 1860 nahm die erste Herner Zeche unter dem Namen Shamrock, das irische Wort für das Nationalsymbol Irlands, ein dreiblättriges Kleeblatt, ihren Betrieb auf. Schnell wurde die Jahresmarke von 100.000 geförderte Tonnen Kohle erreicht. 1875 zählte Shamrock 1.000 Bergleute, u. a. gestellt von „einem Heer“ englischer Bergleute. Die Belegschaft machte etwa ein Sechstel der damaligen Herner Bevölkerung aus. Shamrock folgten die Baukauer Zechen Providence und Barrillon, später Von der Heydt und Julia. Mit der Gründung des Deutschen Kaiserreich entstand die Zeche Friedrich der Große in Horsthausen, gefolgt von Mont Cenis und Constantin der Große in Sodingen. Den Abschluss bildete die Zeche Teutoburgia, die ihren Anfang und ihr Ende allerdings noch im alten Amt Sodingen nahm.

Luftaufnahme von Shamrock 1/2 und dem Herner Rathaus (rechts, Mitte), um 1960, Foto Stadtarchiv Herne

Benötigt wurden Arbeitskräfte, die zunächst aus dem Rheinland, aus Hessen und den umliegenden Städten gewonnen werden konnten. Als diese nicht mehr ausreichten, wurden Bergleute aus den preußischen Ostprovinzen, zumeist polnische Volkszugehörige, angeworben. Um die Menschen unterzubringen, entstanden rund um die Berkwerksgesellschaften Zechenkolonien, zumeist mit kleinen Parzellen auf dem Hinterhof, um Gemüseanbau und Kleintierhaltung zu ermöglichen. Die städtebaulich ungeplanten Wohnsiedlungen hatten außer dem Vorhalten von Versorgungseinrichtungen des täglichen Bedarfs – wozu auch Trinkhallen und Eckkneipen gehörten keinerlei städtische Funktionen.

Mit dem Bergbau kam die eisenverarbeitende Industrie: der Grubenwagenfabrikant Halstrick, die Bohrhämmerfirma Flottmann, die Maschinenfabrik Schüchtermann & Kremer-Baum, der Hersteller von Maschinen für die Kohlengewinnung und -förderung Beien, der Dampfkesselhersteller Berninghaus und das Schraubenwerk Dorn. Die Nähe zu den Zechen und eine intakte Infrastruktur waren die entscheidenden Wirtschaftsfaktoren für die Ansiedlung dieser Firmen.

Herne – Die schöne Bergbaustadt zwischen Ruhr und Lippe, städtische Werbebroschüre, 1954, Foto Stadtarchiv Herne

Die durch die Industrialisierung wachsende Wirtschaftskraft steigerte auch das Selbstbewusstsein der Stadt Herne. Beispielhaft für dieses Selbstbewusstsein ist der Bau des Herner Rathauses, das von dem Architekten Wilhelm Kreis geplant wurde. Kreis hatte das repräsentative Gebäude im Stil der neuen Sachlichkeit entworfen – klassizistisch ohne zu protzen, funktionsgerecht und zweckmäßig. Am 01. Oktober 1912 bezogen die rund 160 Beamten und Angestellten ihre Diensträume. Die offizielle Einweihung am 06. Dezember 1912 wurde als ein gesellschaftliches Ereignis gefeiert. Sämtliche Dienststellen blieben geschlossen. Die Bediensteten durften auf Kosten der Stadt Herne feiern; es wurde ein geselliger Bierabend ausgegeben. Wie verbunden sich Herne mit den Zechen fühlte, zeigt eine städtische Werbebroschüre aus dem Jahr 1954. Auf dem Vorderblatt sieht man das Rathaus, der Titel lautet: „Herne – Die schöne Bergbaustadt zwischen Ruhr und Lippe“.

Jürgen Hagen, Erstveröffentlichung des ursprünglichen Textes: „125 Jahre (Alt-)Herner Stadtwerdung“. Jürgen Hagen. In: „Der Emscherbrücher“ Band 19 (2023/24). Seiten 7 bis 36 . Herausgegeben von der Gesellschaft für Heimatkunde Wanne-Eickel e. V. Herne 2023.